Freitag, 25. April 2014

Neuss 1 0 Neusser Wahlkampf wird immer bunter

Noch nie kandidierten so viele Neusser mit Migrationshintergrund für den Stadtrat - sechs von zehn Direktbewerbern allein im Barbaraviertel. Favoriten auf den Ratssitz sind die Deutschtürken Yasar Calik (CDU) und Hakan Temel (SPD). Von Ludger Baten und Susanne Genath
 
Ob Multikulti oder Integration - Begriffe gibt es genug, den Wandel in der deutschen Gesellschaft zu umschreiben. Bürgermeister Herbert Napp bringt es auf einen knappen Nenner: "Wir werden bunter!" Mesut Özil, Jerome Boateng oder Sami Khedira stiegen längst zu umjubelten hoffnungsträgern der deutschen Fußball-Nationalmannschaft auf. Nun könnte es nach der Kommunalwahl am 25. Mai im Stadtrat im Napp'schen Sinne bunter werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird erstmals in der Geschichte ein Stadtverordneter direkt gewählt, der einen so genannten Migrationshintergrund besitzt.
Dieser Superlativ wird vermutlich an den Sieger aus dem Wahlkreis 3 (Barbaraviertel, Bolssiedlung) gehen, denn dort haben von zehn Direktbewerbern immerhin sechs einen Migrationshintergrund. Auch die beiden großen Volksparteien, die im Normalfall den direkten Ratssitz unter sich ausmachen, schicken mit Yasar Calik (CDU) und Hakan Temel (SPD) jeweils einen Deutschtürken ins Rennen. Vor fünf Jahren ging der Wahlkreis an die SPD. Damals setzte sich Hubert Esser durch, der jetzt auf eine erneute Kandidatur verzichtete.
Im Stadtgebiet leben 20 500 Ausländer (13,1 Prozent der Gesamtbevölkerung), 1000 von ihnen im Barbaraviertel (36,7 Prozent). Diese Zahlen sagen aber nicht viel über die Wählerstruktur aus, denn an der Kommunalwahl dürfen Ausländer nur teilnehmen, wenn sie EU-Bürger sind. Außerdem: Zum Wahlkreis 3 gehört auch die Bolssiedlung in Weißenberg, in der vornehmlich deutschstämmige Menschen wohnen. Aufschlussreich wäre die Zahl der eingebürgerten und somit Wahlberechtigten Ausländer und/oder Türken. "Die liegt mir leider nicht vor", sagt Wolfgang Düsing, Statistikchef der Stadtverwaltung. Eine Prognose fällt somit für diesen "bunten" Wahlkreis schwer.

Yasar Calik hat im Barbaraviertel sogar ein Wahlkampfbüro eröffnet. Der Unternehmer, der mit dem verfremdeten CDU-Logo die aktuelle Halbmond-Debatte auslöste, findet, "dass sich die Diskussion positiv entwickelt hat". Die Menschen spürten, so Calik, dass er nicht polarisieren wollte. Sein Mitbewerber Hakan Temel will dazu schweigen, dann sagt er aber doch: "Religion hat für mich in der Politik nichts zu suchen. Man sollte sich auch nicht nur auf eine Nation fixieren."
Das könnte Ghalia El Boustami (Grüne) gar nicht. Sie wurde als Tochter eines syrisch-französischen Vaters und einer russischen Mutter in Marokko geboren, wuchs in Belgien auf, ist mit einem Deutschen verheiratet: "Ich bin ein Mensch mit vielen Facetten."
Weitere Direktkandidaten sind: Ludek Pavlik (FDP) geboren in Prag, Leila Lghazouani (BIG) geboren in Neuss und Nida Nasser (AfD) geboren in Bagdad sowie Frank Pfeiffer (Linke), Claudia Longerich (UWG), Rudolf Heil (Zentrum) und Andreas Rüßel (Piraten).
Quelle: NGZ

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