Nach fast
50 Jahren geben Hannelore und Peter Lützenrath ihr Lokal ab. Es war der
Mittelpunkt ihrer Großfamilie, denn unter einem Dach leben die Wirte mit
Sohn und drei Geschwistern zusammen. Den Partyservice führt der Sohn
weiter.
Von Christoph Kleinau
Zum Essen setzen konnte sich Hannelore Lützenrath in den
vergangenen 50 Jahren nur, wenn sie mal Urlaub hatte. In ihrem Alltag
nämlich war die 72-Jährige immer auf dem Sprung, eingespannt in
Gaststätte, Imbiss und Partyservice und für ihre Gäste auf den Beinen.
Ab Sonntag kann sie es etwas ruhiger angehen lassen, denn am Samstag
öffnen sie und Ehemann Peter (73) nach fast 50 Jahren zum letzten Mal
ihr "Haus Lützenrath" an der Viersener Straße.
Gaststätte und Imbiss sind der Mittelpunkt der Großfamilie, die
das Mehrfamilienhaus darüber fest in ihrer Hand hat. Fünf
Familienmitglieder, fünf Familien, fünf Mietparteien - und alle feiern
nicht nur ganz selbstverständlich Familienfeste wie Weihnachten
zusammen, sondern alle hatten oder haben irgendwie auch mit dem Lokal zu
tun.
1959 wurde Familie Delmes - so ist der Mädchenname von Hannelore
Lützenrath - auf der Furth heimisch. Hermann und Elfriede Delmes
erwarben das Haus, in dessen Geschäftsräumen erst ein Radiohändler sein
Glück versuchte und danach zwei Gaststättenpächter. Die hielten sich
jeweils kaum länger als ein Jahr, und so hatte Opa Hermann
offensichtlich eine dauerhaftere Lösung vor Augen, als er Tochter
Hannelore, die an der Preußentankstelle gegenüber Tankwartin gelernt
hatte, und Schwiegersohn Peter, ein gelernter Schmied und Schlosser, das
Lokal antrug. Das wurde 1971, als der Kosmetik-Großhandel "Seifen Hanf"
gleich nebenan aus Altersgründen aufgegeben wurde, um den Imbiss
erweitert.
Im September 1964 übernahmen Peter und Hannelore Lützenrath
zunächst das Lokal und nannten es "Rote Laterne". Walfried Bähr, der die
Zigratten lieferte, die Peter Lützenrath aus einem Schränkchen hinter
dem Tresen verkaufte, hatte den Vorschlag mitgebracht. Damals war die
"Rote Laterne" eines von mehreren Lokalen in Neuss, die Laterne im Namen
trugen. Deshalb - und weil "Rote Laterne" ein bisschen nach
Schlusslicht und ein bisschen anstößig klingt - wurde der Name in "Haus
Lützenrath" abgewandelt. So soll das Haus auch heißen, wenn vom 30. Mai
an Angelika und Hans Grass Regie führen.
Die Willicher ziehen mit Übernahme des Lokals in die "Burg
Lützenrath" an der Viersener Straße ein und werden sicher von der
Großfamilie an die breite Brust gedrückt. "Wir unterstützen sie
natürlich", sagt Sohn Thorsten, der wie sein Großvater Hermann Koch
gelernt hat und den Partyservice und damit auch das Zelt, das zur
Neusser Kirmes am Autohaus Timmermanns aufgeschlagen wird, weiterführen
wird. Seine neue "Basis" wird eine leere Metzgerei ein paar Häuser
weiter sein, die er sich gesichert hat.
Vater Peter kann dann seinem alten Lehrberuf hobbymäßig weiter
nachgehen ("seine Werkstatt mit Schmiedefeuer und Amboss hat er noch",
sagt sein Sohn), während Mutter Hannelore, die dienstälteste Neusser
Wirtin, beim Sohn zumindest weiter aushelfen will.
Umgewöhnen muss sich Barney, der Hund von Kornelia ("Konni")
Fries, der jüngsten Schwester der Wirtin. Seine letzte Runde endete
immer bei Oma Hannelore, wo er sein Abendleckerli bekam. Ändern wird
sich auch der Wochenrhythmus von Konni Fries und Elfriede ("Elfi") Belz,
der dritten Schwester unter dem gleichen Dach, wo - natürlich - auch
Bruder Hans, gelegentlicher Helfer in der Wirtschaft, mit Familie lebt.
Für sie gehörte zum Mittwochsritual, wenn die große Schwester Hannelore
eigentlich Ruhetag hatte, die Großeinkäufe für das Lokal zu erledigen.