Mittwoch, 15. Januar 2014

Neuss Der Erste Weltkrieg aus Neusser Sicht

Das Stadtarchiv hat seine Quellen zum Ersten Weltkrieg gesichtet und neu geordnet. Damit kann dieses Weltereignis nun aus Neusser Sicht erforscht werden. Bislang wurde es in der städtischen Geschichtsschreibung kaum berücksichtigt. Von Hanna Koch
Im Sommer des Jahres 1914 herrschte in Neuss wie auch in anderen deutschen Städten Kriegsbegeisterung. Fotos aus der Zeit zeigen Soldaten, die am Hauptbahnhof aufmarschieren, spätere Bilder zeugen von Gedenkveranstaltungen für die Gefallenen. Die Fotos liegen im Stadtarchiv – gemeinsam mit vielen weiteren Unterlagen zum Ersten Weltkrieg, die das Stadtarchiv nun erstmals gesichtet und neu geordnet hat.
"Wir wollen damit eine breite Forschung ermöglichen", sagt Jens Metzdorf, der Leiter des Stadtarchivs. Sein Credo: "Jeder soll bei uns fündig werden – sowohl der Professor als auch interessierte Schüler." Archivarin Sandra Gesell hat die Quellen gesichtet. Schon seit zwei Jahren ordnet und verzeichnet sie die historischen Akten der Stadt Neuss, die so genannte städtische Registratur. "Dabei berücksichtige ich die gesamte Preußenzeit von 1815 bis 1945", erläutert Gesell, die dafür 130 Regalmeter durcharbeitet.
Um für das "Jubiläumsjahr" des Ersten Weltkrieges – vor 100 Jahren brach der Krieg aus – gerüstet zu sein, zog die Archivarin diese Zeitspanne vor. "Ich habe nicht nur die Registratur gesichtet, sondern alle Quellen aus der damaligen Zeit geordnet", erläutert Gesell. Dazu gehören Fotos und Plakate aus dem Bildarchiv, Schulchroniken und Nachlässe. Dabei traten einige "Schätze" zutage, etwa das Tagebuch einer Neusser Jugendlichen, die damit im Jahr 1914 begann und Einblicke in das Alltagsleben zu Kriegszeiten gibt.
"Alle Quellen zusammen genommen verschaffen uns ein Bild darüber, wie das zivile Leben in Neuss durch den Weltkrieg beeinflusst wurde", erläutert Gesell, die von ihrer Arbeit auch in dem aktuellen Jahrbuch "Novaesium" berichtet. Die Quellen zeigen zum Beispiel, wie sich Lebensmittel und Rohstoffe verknappten, Lazarette für die Verwundeten entstanden und welchen Einfluss die Propaganda etwa auf die Schulen hatte.
"Neuss war vom Weltkrieg eher indirekt betroffen", sagt Metzdorf. Anders als im Zweiten Weltkrieg, in dem durch die Bombardierungen auch die Heimat zur "Front" wurde, waren die Kriegshandlungen in den Jahren 1914 bis 1918 durch Einschränkungen im täglichen Leben spürbar – und durch die Versehrten, die in zwei Lazaretten an der Promenadenstraße und an der Breite Straße versorgt wurden.
Im weiteren Kriegsverlauf stieg die Zahl der Gefallenen. Viele Familien trauerten, was sich etwa im Anzeigenteil der Zeitungen widerspiegelt. Das Stadtarchiv schätzt die Zahl der Toten auf rund 1000 – Neuss hatte damals etwa 40 000 Einwohner. "Eine Besonderheit von Neuss ist seine strategisch gute Lage", sagt Metzdorf. Durch die Bahnverbindung wurde die Quirinusstadt genutzt, dort Truppen zusammen zu ziehen, um sie in Richtung Westen zu verlegen. Das Stadtarchiv setzt darauf, dass die einzelnen historischen Aspekte des Weltkriegs nun erforscht werden. "Mit unserer Aufarbeitung sind wir für Anfragen von interessierten Neussern gut gerüstet", sagt Metzdorf.
Quelle: NGZ

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