Dienstag, 18. Februar 2014

Neuss Schulentwicklung geht an Eltern vorbei

Dass die Sekundarschulen bei Eltern kaum Akzeptanz finden, liegt am hohen Tempo der Neusser Schulentwicklung. Von Hanna Koch
 
Die Quirinusstadt macht Tempo, wenn es um die Umgestaltung ihrer Schullandschaft geht. Gern verweist die Verwaltung darauf, dass keine andere Stadt ihre Hauptschulen so schnell abgeschafft hat wie Neuss. Jetzt zeigt sich, dass bei der Umstellung auf einen Mix aus Gymnasien, Gesamt- und Sekundarschulen sowie einer verbleibenden Realschule wohl die entscheidende Zielgruppe nicht mitgekommen ist: die Eltern.
Das ist das Ergebnis des Anmeldeverfahrens. Denn das hat gezeigt, dass vor allem die Sekundarschule ein Akzeptanzproblem hat. Offenbar wird sie von den Eltern als "neue Hauptschule" empfunden. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Sekundarschule Gnadental, die dieses Jahr in ihr zweites Jahr startet, viel zu wenig Anmeldungen verzeichnet. Im ersten Anlauf meldeten sich laut NGZ-Informationen weniger als 30 Schüler an. Etwas besser läuft es für die zentraler gelegene Sekundarschule Weberstraße.
Aber auch sie konnte die für eine Neugründung notwendige Mindest-Schülerzahl nicht erreichen. 75 Anmeldungen wären notwendig gewesen – dies wurde bei weitem nicht erreicht. Ganz anders sieht das bei der einzig verbleibenden Realschule Holzheim aus: Sie hat so viele Anmeldungen, dass sie sogar Kinder abweisen muss.
Ein Schlag ins Gesicht ist das für viele: Für die Stadt, weil sie den Ausbau der Schullandschaft im Eilschritt forciert, ohne genug dafür zu werben, und auch für die Koalition aus CDU und FDP, weil sie die Sekundarschule nur "durchgedrückt" hat, um ein Gegenstück zur allseits beliebten, aber von der SPD favorisierten Gesamtschule zu setzen.

Am bittersten ist die Entwicklung für die Lehrer, deren Engagement in den Hintergrund gerät. Denn gerade an den Sekundarschulen lässt sich bei jedem Besuch nachfühlen, mit wie viel Herzblut die Pädagogen dabei sind. Das gilt sowohl für die bestehende Schule in Gnadental als auch den neuen Standort im Schulzentrum Weberstraße. Unzählige Überstunden sind für die Gründung einer neuen Schule notwendig, Konzepte müssen geschrieben, Kollegen gefunden, Räume eingerichtet werden. In Gnadental hat darüber hinaus die Arbeit bereits begonnen – mit mehr Lehrerstellen pro Kind als an jeder anderen Schule, mit außerschulischen Angeboten und dem Ziel, möglichst vielen Kindern die Chance auf das Abitur zu geben.
Die Eltern der Viertklässler aber, auf die es bei dem Anmeldeverfahren ankommt, haben sich davon nicht beeindrucken lassen. Vielleicht nur aus dem simplen Grund, dass die Sekundarschule Gnadental in dem von außen wenig ansehnlichen Gebäude der auslaufenden Hauptschule ihren Platz gefunden hat, und die Eltern eine Verbindung herbeidenken, die nicht besteht. Wahrscheinlich auch, weil sie befürchten, die Sekundarschule könne eine "Restschule" werden wie einst die Hauptschule. Dabei war sie dazu gedacht, genau das Gegenteil zu sein – eine Schule für alle Kinder, mit integrativem Ansatz. Doch genau dieses "Reste-Problem" tut sich mit Blick auf das Anmeldeverhalten der Eltern nun auf. Denn wenn die allermeisten Schüler an die Gesamtschulen und Gymnasien streben, bleiben für die Sekundarschule bei einer "Koordinierung" – so nennt die Stadt das nachträgliche Hin- und Herschieben der Schüler nach den Anmeldungen – nur jene Schüler übrig, die anderswo nicht gewollt sind. Und selbst wenn die Stadt darauf achtet, diesen Effekt durch kluges Auswählen zu minimieren: Die Eltern werden weiter versuchen, ihr Kind im ersten Anlauf – und auch bei gegenteiliger Schulempfehlung – bei den vermeintlich "besseren" Schulen anzumelden. Ein Verhalten, das die Hauptschulen zur Genüge kennen – und das sich nun bei den Sekundarschulen wiederholt.
Die Stadt muss sich nun fragen, ob sie die Sekundarschulen offensiver fördert, um die Einrichtungen attraktiver zu machen. Dazu müsste sie aber mehr Geld in die Hand nehmen. Oder ob sie langfristig auf ein zweigliedriges Schulsystem umsteigt. Schönreden und abwarten sollte sie nicht. Denn spätestens im kommenden Jahr wird sich die Geschichte wiederholen...
Quelle: NGZ

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