Ein Besuch der Museumsinsel Hombroich ist wie der Eintritt in eine andere Welt. Der Alltag bleibt draußen, das Gefühl übernimmt.
Von Helga Bittner
Der Treppe sieht man an, dass sie von Menschenhand
gemacht ist. Einerseits. Und andererseits: Sie wirkt, als ob sie aus der
Anhöhe herausgewachsen ist. Wenn das Geländer nicht wäre, jede
Stufenkante nicht fixiert, könnte man glauben, dass die Natur es selbst
war, die dem Menschen den Zugang zu einem der schönsten Orte in der
Region erleichtern wollte. Der Besuch der Museumsinsel Hombroich ist wie
der Eintritt in eine andere Welt. Jedes Mal. Ein tiefes Durchatmen,
weil der Alltag einfach vor der Tür bleibt; ein Abtauchen in eine
Atmosphäre, in der jeder störende Gedanken von einer Welle der Ruhe und
Zufriedenheit weggeschwemmt wird.
Dieser Ort hat Kraft. Er gibt selbst dann ein Gefühl
der Entschleunigung, wenn die Wege voller Menschen sind. Wenn
niederländische, französische, englische oder japanische Wortfetzen
durch die Luft schwirren, die Enten laut schnattern, die Bänke an den
schönsten Stellen natürlich besetzt sind, Kinder fangen spielen, laut
lachen und schreien, weinend nach der Mama rufen. Das alles macht
nichts. Wird aufgehoben von dem beglückenden Gefühl, angekommen zu sein.
Bei sich selbst nämlich, nicht bei dem, was noch bedacht, erledigt,
organisiert werden muss...
Natürlich wäre man am liebsten allein. Mit sich, der
Natur, mit der Kunst, die in den Pavillons und unter freiem Himmel
ausgestellt ist. Nur zum Anschauen, zum Auf-sich-wirken-lassen, ohne
wissen zu müssen, wer (Picasso, Cézanne, Calder, Klein, Giacometti,
Heerich, Matisse, Kruse, Anatol und viele andere) was (Zeichnungen,
Ölbilder, Radierungen oder Skulpturen) wann (19., 20. oder 21.
Jahrhundert) geschaffen hat. Und dass sich die Kunst der Khmer aus dem
12./13. Jahrhundert und die Farbkissen von Gotthard Graubner aus der
Jetztzeit im "Labyrinth" einen ebenso anregenden Dialog liefern wie die
streng geometrischen, hausgroßen Skulpturen eines Erwin Heerich mit
saftigen Wiesen und blühenden Büschen, ist pure Sinneserfahrung, keine
des Verstandes.
Man braucht keine Karte, irgendwie kommt man über alle
Wege immer irgendwo hin. Plötzlich steht man am Ufer der Erft, weil der
kleine Weg links vom "Labyrinth" so lockte. Ein Platz für Verliebte -
zumindest nach den vielen, ins Holz einer Bank geschnitzten Herzen
mitsamt Initialen. Was mag aus all den Liebespärchen geworden sein? Vor
der Soumagne-Klause darüber staunen, wie wunderbar passend der Name für
dieses Häuschen des 2003 gestorbenen Dichters in einer Höhle aus Bäumen
ist. Beim Anblick des Rosa Haus darüber sinnieren, wie die
Industriellenfamilie de Weerth Anfang des 19. Jahrhunderts ihren
Landsitz mit Leben gefüllt hat. Und, und, und...
Denn das ist das schönste Gefühl: Jedes Mal, und sei es das 100., gibt es Neues zu entdecken und erfühlen.
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