Mit mehr als 45 Abgaben ist der Aufruf zum Ersten Weltkrieg für das Stadtarchiv der bisher erfolgreichste, sagt Institutsleiter Jens Metzdorf. Er führt das auch darauf zurück, dass die heutige Enkel-Generation – zahlenmäßig stellt sie den größten Anteil unter den Abgebern – deswegen vieles aus dieser Kriegszeit aufbewahrt, weil sie noch eine persönliche Bindung eben zu den Großeltern hat, die die Zeit damals erlebt haben. Deren Kinder, also die Eltern der heutigen Abgeber, seien vielfach als Halbwaisen aufgewachsen, sagt Metzdorf und vermutet: "Da wird die Oma vielleicht immer wieder erzählt haben, dass sie den Opa im Krieg verloren hat." Wer das als Kind gehört habe, sei sich heute noch bewusst, dass es damals in jeder Hinsicht eine Zäsur gegeben hat und bewahre die Dinge, die davon zeugen, auch noch auf.
Zweifellos kommt auf diese Wiese ein großer Bestand an Zeugnissen zusammen, die ein Schlaglicht auf das (Er-)Leben der Neusser im Zweiten Weltkrieg werfen. "Aber die meisten gehen Alben mit Blick auf die Soldaten in der Familie durch", sagt Metzdorf. Er freut sich zwar, wenn unter den Abgaben auch Tagebücher, Postkarten und anderes von Soldaten sind, aber: "Auch die Frauen und Kinder in Neuss haben mit dem Krieg leben müssen."
Erste Dokumente darüber, wie sich der Alltag für diese verändert hat, sind bei ihm schon eingegangen. So zeigt ein Foto von 1915 im Reservelazarett Neuss (im damaligen evangelischen Gemeindehaus, Königstraße 37) vier Frauen, zwei Jungen im Matrosenanzug und elf Männer in Uniform. Otto Saarbourg hat es abgegeben und dazu aus seiner Erinnerung notiert, dass seine Großmutter Mimi Napp für die dort untergebrachten, sich nach einer Verwundung erholenden Soldaten oft Briefe geschrieben hat, "und stundenlang zu deren Abwechslung für Kartenspiele oder ,Mensch, ärgere dich nicht' aushalten musste. Sie hat gerne mal verloren."
Von Fotos wie diesen wünscht sich Jens Metzdorf noch mehr. Aber vor allem hofft er auch, dass hier und da auch eine Frau Tagebuch geführt hat oder ihren Kindern und Enkeln sonstige Aufzeichnungen über das Alltagsleben im Krieg hinterlassen hat. Zusammen mit den Dokumenten aus dem eigenen Bestand, mit den Abgaben zum militärischen Bild vom Zweiten Weltkrieg will er in einer Ausstellung im September nämlich auch das zivile Leben in Neuss zu Kriegszeiten zeigen und aufarbeiten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen