Dienstag, 4. Februar 2014

Jüchen Stolperstein erinnert an Heinrich Schlösser

18 Stolpersteine verlegte Künstler Gunter Demnig gestern in Stessen und Hochneukirch. Den letzten setzte er für Heinrich Schlösser. Von Christian Kandzorra
 
"Es geht Euer Vater mit Ruhe zu Tode. Ein Opfer der Zeitgeschichte. Einen Eichen- oder Nussbaum setzt zum Andenken...", wünscht sich Heinrich Bernhard Schlösser in den letzten Zeilen des Abschiedsbriefes, den er nur Stunden vor seiner Hinrichtung 1943 geschrieben hatte. Diese Zeilen bewegen noch heute – sieben Jahrzehnte nach der Enthauptung Schlössers, den die Nationalsozialisten zum Tod verurteilten. "Wir selbst wussten als Jugendliche nichts vom Schicksal unseres Großvaters", sagt Elisabeth Bell (70), die jüngste Enkelin von Heinrich Schlösser. Sie war gestern mit ihrer Cousine Resi Withaar an der Kreuzstraße: "Endlich ehrt auch ein Stolperstein unseren Großvater Heinrich", sagen sie.
Viele Jahre wurde in Jüchen darüber diskutiert, wie man Heinrich Schlösser aus Stessen eine Ehre erweisen könnte – Anträge wie etwa die Benennung einer Straße oder eines Bürgerwäldchens nach ihm wurden abgelehnt. Schlösser war zwischen 1919 und 1925 Abgeordneter für die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), machte sich für die Belange ärmerer Menschen stark. Seine Kritiker warfen ihm vor, er habe damit nicht die Grundsätze einer freiheitlich demokratischen Ordnung befolgt. "Ich glaube, mit der Verlegung eines Stolpersteins zur Erinnerung an einen aufrechten Mann mit Zivilcourage wäre er auch einverstanden gewesen", sagt Dieter Ohlmann, der Vorsitzende des Fördervereins Gemeindearchiv Jüchen.
Wer war Heinrich Schlösser? 1879 in Stessen geboren, lernte er Schlosser und wurde von den Nationalsozialisten als ehemaliges KPD-Mitglied verfolgt, bespitzelt und gedemütigt – ein Streit mit einem Nazi-Unteroffizier, in dem er die Misshandlung französischer Zwangsarbeiter kritisierte, wurde Heinrich Schlösser schließlich zum Verhängnis. Der Unteroffizier zeigte ihn an, Schlösser wurde am 7. Oktober 1943 wegen "Wehrmachtzersetzung" verurteilt.

"Ich freue mich sehr, dass neben einem Gedenkstein an seinem Grab auf den Friedhof in Bedburdyck jetzt auch ein Stolperstein vor seinem ehemaligen Wohnort an der Kreuzstraße 21 verlegt wurde", sagt Dieter Ohlmann. Er hatte sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Geschichte von Heinrich Schlösser beschäftigt, in unterschiedlichen Archiven geforscht. Fündig wurde er im Landesarchiv Düsseldorf, wo eine Akte der "Gestapo" mehr über das Schicksal des Stesseners verriet.
Stolpern sollen über den Stein, den gestern Bildhauer Gunter Demnig als letzten von 18 Stück verlegte, besonders junge Leute. Das ist der jetzt pensionierten Realschullehrerin Monika Streger besonders wichtig. Sie organisierte die zweite Runde der Stolperstein-Verlegungen in Hochneukirch und Stessen. Für 17 weitere NS-Opfer jüdischen Glaubens aus Hochneukirch wurden Stolpersteine vor ihren letzten Wohnorten gesetzt. Mehr als 30 Jüchener begleiteten den Bildhauer gestern beim Verlegen der kleinen, mit Messing überzogenen Gedenksteine.
Quelle: NGZ

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