Donnerstag, 22. Mai 2014

Neuss 0 Neusser Eltern sind gegen das Turbo-Abitur

Die als "G 8" bezeichnete kürzere Schulzeit an Gymnasien stößt bei Neusser Eltern auf Ablehnung. Sie hoffen auf Reformen. Von Hanna Koch
Der Frust der Neusser Eltern landet meist bei ihm: Ralf Mainz ist als Vorsitzender des Stadtelternrates derjenige, der am lautesten sagt: "Stoppt G8". Damit steht er nicht alleine, denn die verkürzte Schulzeit an den Gymnasien ist in der Quirinusstadt nicht gerade beliebt.
"Der Druck, der auf den Kindern lastet, ist einfach zu groß", findet Mainz. "Dass Kinder mehr Wochenstunden haben als viele Arbeitnehmer ist doch einfach nicht zu fassen", sagt der streitbare Vater, der zwei Kinder hat. Die Neusser Jugendlichen sehen das ähnlich: "Ich bin heilfroh, dass ich an der Gesamtschule bin", sagt Mascha Wagemann, Vorstandsmitglied der Bezirksschülervertretung. Von dort kennt die Korczak-Schülerin die Klagen über das verhasste "G 8". "Die Gymnasiasten wären froh, wenn sie das verlorene Jahr zurückhätten", erzählt die 17-Jährige.
Mit ihrer Meinung stehen die Neusser nicht alleine. Erst vor zwei Wochen hatte eine repräsentative Forsa-Umfrage belegt, dass 76 Prozent der Menschen in Nordrhein-Westfalen zur längeren Schulzeit, also zu "G 9", zurückkehren möchten. Nur 15 Prozent der Befragten wollen demnach den Status quo beibehalten.

Diese "Rückkehr", die NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) ausschließt, wäre auch nicht ganz so einfach, wie Markus Wölke, stellvertretender Schulleiter des Humboldt-Gymnasiums, erläutert. "Denn es wäre eine neue Form von G 9", sagt der Lehrer. So würde zum Beispiel die zweite Fremdsprache weiter ab Klasse sechs unterrichtet, und nicht wie früher erst ab Klasse sieben. "Aber genau dieser frühe Einstieg ist es, der die Schüler überfordert, viel mehr als die kürzere Schulzeit an sich", meint Wölke. Der Sprecher der Neusser Schulleiter, Peter Fischer, sieht es darüber hinaus kritisch, in der Bildungspolitik nun wieder die "Rolle rückwärts" zu machen. "Wir sind für Nachhaltigkeit in der Bildung", sagt der Schulleiter der Janusz-Korczak-Gesamtschule. Deswegen sei es sinnvoller, das bestehende G8-System zu reformieren. "Es ist möglich, den Lehrplan zu entschlacken", sagt der Pädagoge. Schließlich werde in den Schulen immer mehr Wert auf eine Kompetenzorientierung gelegt. "Wird die richtig beigebracht, können sich die Kinder jeden Inhalt selbst beibringen - und nicht alles muss in den Unterricht gepresst werden", fasst er diese Methodik zusammen. Allerdings gibt auch er zu bedenken, dass das Gymnasium trotz alledem eine Schulform für die schnelllernenden Kinder bleibe.
Doch selbst für die fittesten Schüler steigt der Druck durch die kürzere Schulzeit enorm. "Das ist ein Vollzeitjob, der viele Kinder richtig fertigmacht", sag Iris Inghausen. Für die Pflegschaftsvorsitzende des Humboldt-Gymnasiums, die sich zeitweise für das Elternbündnis "Gib8" engagiert hat, ist die verkürzte Gymnasialzeit "eine einzige Katastrophe". Zu viel sei herumexperimentiert worden, und das auf dem Rücken der Kinder, meint die zweifache Mutter. Sie hofft auf Reformen, und darauf, dass die langen Tage der Kinder, nach denen meist noch Hausaufgaben anfallen, weniger werden. "Denn ich wünsche mir, dass die Kinder auch einmal wieder Zeit für Hobbies haben", sagt sie.
Quelle: NGZ

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