Die als "G 8" bezeichnete kürzere Schulzeit an Gymnasien stößt bei Neusser Eltern auf Ablehnung. Sie hoffen auf Reformen.
Von Hanna Koch
Der Frust der Neusser Eltern landet meist bei ihm: Ralf Mainz ist
als Vorsitzender des Stadtelternrates derjenige, der am lautesten sagt:
"Stoppt G8". Damit steht er nicht alleine, denn die verkürzte Schulzeit
an den Gymnasien ist in der Quirinusstadt nicht gerade beliebt.
"Der Druck, der auf den Kindern lastet, ist einfach zu groß",
findet Mainz. "Dass Kinder mehr Wochenstunden haben als viele
Arbeitnehmer ist doch einfach nicht zu fassen", sagt der streitbare
Vater, der zwei Kinder hat. Die Neusser Jugendlichen sehen das ähnlich:
"Ich bin heilfroh, dass ich an der Gesamtschule bin", sagt Mascha
Wagemann, Vorstandsmitglied der Bezirksschülervertretung. Von dort kennt
die Korczak-Schülerin die Klagen über das verhasste "G 8". "Die
Gymnasiasten wären froh, wenn sie das verlorene Jahr zurückhätten",
erzählt die 17-Jährige.
Mit ihrer Meinung stehen die Neusser nicht alleine. Erst vor zwei
Wochen hatte eine repräsentative Forsa-Umfrage belegt, dass 76 Prozent
der Menschen in Nordrhein-Westfalen zur längeren Schulzeit, also zu "G
9", zurückkehren möchten. Nur 15 Prozent der Befragten wollen demnach
den Status quo beibehalten.
Diese "Rückkehr", die NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne)
ausschließt, wäre auch nicht ganz so einfach, wie Markus Wölke,
stellvertretender Schulleiter des Humboldt-Gymnasiums, erläutert. "Denn
es wäre eine neue Form von G 9", sagt der Lehrer. So würde zum Beispiel
die zweite Fremdsprache weiter ab Klasse sechs unterrichtet, und nicht
wie früher erst ab Klasse sieben. "Aber genau dieser frühe Einstieg ist
es, der die Schüler überfordert, viel mehr als die kürzere Schulzeit an
sich", meint Wölke. Der Sprecher der Neusser Schulleiter, Peter Fischer,
sieht es darüber hinaus kritisch, in der Bildungspolitik nun wieder die
"Rolle rückwärts" zu machen. "Wir sind für Nachhaltigkeit in der
Bildung", sagt der Schulleiter der Janusz-Korczak-Gesamtschule. Deswegen
sei es sinnvoller, das bestehende G8-System zu reformieren. "Es ist
möglich, den Lehrplan zu entschlacken", sagt der Pädagoge. Schließlich
werde in den Schulen immer mehr Wert auf eine Kompetenzorientierung
gelegt. "Wird die richtig beigebracht, können sich die Kinder jeden
Inhalt selbst beibringen - und nicht alles muss in den Unterricht
gepresst werden", fasst er diese Methodik zusammen. Allerdings gibt auch
er zu bedenken, dass das Gymnasium trotz alledem eine Schulform für die
schnelllernenden Kinder bleibe.
Doch selbst für die fittesten Schüler steigt der Druck durch die
kürzere Schulzeit enorm. "Das ist ein Vollzeitjob, der viele Kinder
richtig fertigmacht", sag Iris Inghausen. Für die
Pflegschaftsvorsitzende des Humboldt-Gymnasiums, die sich zeitweise für
das Elternbündnis "Gib8" engagiert hat, ist die verkürzte Gymnasialzeit
"eine einzige Katastrophe". Zu viel sei herumexperimentiert worden, und
das auf dem Rücken der Kinder, meint die zweifache Mutter. Sie hofft auf
Reformen, und darauf, dass die langen Tage der Kinder, nach denen meist
noch Hausaufgaben anfallen, weniger werden. "Denn ich wünsche mir, dass
die Kinder auch einmal wieder Zeit für Hobbies haben", sagt sie.
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