Dienstag, 8. April 2014

Neuss Neusserin forscht in Ruanda über Versöhnung

Vor 20 Jahren geschah in Ruanda der Völkermord der Hutu an den Tutsi. Die Neusserin Jana Schildt hat über dieses Thema promoviert. Von Hanna Koch
 
Es ist ein grausamer Völkermord, der sich vor 20 Jahren in Ruanda ereignete, als innerhalb von 100 Tagen knapp eine Million Menschen umgebracht wurden. Das Land ist heute noch geprägt von diesem Verbrechen der Hutu-Mehrheit an der Tutsi-Minderheit – die Geschichte des Landes bewegt jeden, der sich mit ihr näher befasst. Die Neusserin Jana Schildt hat dem Völkermord ihre Doktorarbeit gewidmet – und in Ruanda erfahren, wie sich Menschen dort für eine Versöhnung einsetzen.
"Die Reisen nach Ruanda haben mich verändert", sagt die 31-Jährige, die in den Niederlanden und Frankreich studiert hat. In Belgien promovierte sie im Fachgebiet der Konfliktforschung, fünf Mal hat sie das afrikanische Land in den vergangenen Jahren besucht. "Die Geschichte des Landes hat mich einfach nicht mehr losgelassen", sagt sie. In ihrer Forschung hat sich die junge Wissenschaftlerin der Frage gewidmet, wie die Menschen nach diesem schrecklichen Ereignis, bei dem mit brutaler Gewalt Hunderttausende getötet, Nachbarn zu Mördern und Familien zerstört wurden, wieder zu einem positiven Umgang miteinander finden. Beeindruckende Persönlichkeiten hat die Neusserin dabei kennengelernt, die sich für die Versöhnung von Hutus und Tutsis einsetzen. "Dabei wurde mir klar, dass sich die Herangehensweisen dieser Menschen gleichen", sagt Schildt.
Viele Afrikaner erzählten ihr davon, dass die Versöhnung zunächst bei jedem Einzelnen selbst anfängt. "Wer sich mit dem Feind versöhnen möchte, muss zunächst mit sich selbst versöhnt sein", sagt Schildt, die davor höchsten Respekt hat. "Das sind Männer und Frauen, deren Familien ermordet wurden, die traumatisiert sind von den Ereignissen", sagt die Wissenschaftlerin. "Und dennoch schaffen es diese Menschen, anderen Mut zu machen." Viele Afrikaner griffen dafür auf körperbasierte Therapien zurück, versuchten, etwa durch Tänze oder Bewegung, bei den Opfern ein neues Körperbewusstsein zu schaffen, damit diese Frieden mit sich selbst schließen können.

"Das hat mich fasziniert", sagt Jana Schildt, die an dieser Form der Heilung auch nach ihrer Promotion festhält. Die 31-Jährige belegte Kurse zur "somatischen Körperarbeit", möchte langfristig traumatisierten Menschen helfen können. "Denn auch das ist Teil der Friedensarbeit", sagt sie. In Berlin tritt die Neusserin in dieser Woche eine neue Stelle bei einer Beratungsfirma für Entwicklungspolitik an. "Nebenbei kann ich in der Hauptstadt im Bereich der Körperarbeit weitere Kurse belegen", erzählt Schildt.
Sie möchte mit ihrem Wissen ebenfalls Menschen beistehen, die von der Arbeit in Krisenregionen traumatisiert sind. "Genau das ist mir nämlich auch passiert", sagt Schildt. Ihr wurde nach ihren Auslandsaufenthalten eine "sekundäre Traumatisierung" attestiert. Ein Tabu-Thema unter Wissenschaftlern und Entwicklungshelfern. "Kaum jemand spricht darüber. Schließlich geht es uns gut, denn wir haben die Schrecken nicht selbst erlebt", erläutert Schildt. Doch das Zuhören und Mitfühlen, die ständige Konfrontation mit der Geschichte können Traumata auslösen. "Diese zu bewältigen, dazu möchte ich gerne beitragen", sagt Schildt.
Quelle: NGZ

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