Mittwoch, 26. März 2014

Neuss 0 Essen auf der Bühne nur nach "Drehbuch"

Im Theater herrschen feste Regeln – manche nennen sie auch Aberglauben. Zum morgigen Welttheatertag bietet es sich an, zu erklären, was dahinter steckt. RLT-Schauspielerin Hergard Engert kennt sich aus und hilft dabei. Von Helga Bittner
 
Eis essen auf der Bühne – das geht nur, wenn man dafür wie Linda Riebau und Hergard Engert in die Rollen von Lola und Frau Kummer schlüpft. Denn im Theater gelten Regeln, die von einer Schauspieler-Generation zur nächsten überliefert werden. Und eine davon besagt: Auf die Bühne darf kein eigenes Essen mitgebracht werden. Gegessen und getrunken wird nur (dann übrigens echte Lebensmittel), wenn es in Stück und Inszenierung vorgesehen ist.
Obwohl: "Es weicht auf", sagt Hergard Engert, "leider." Die Sache mit dem Essen zum Beispiel. "Ich habe mir als junge Anfängerin einen fürchterlichen Ärger eingehandelt, weil ich eine Colaflasche auf die Seitenbühne stellte", erzählt sie, aber heute verschwendeten manche keinen Gedanken mehr daran, stellten Ausstatter ihre Kaffeetassen ab, Regieassistenten ihre Wasserflaschen.
Für die 1966 geborene Österreicherin ist das immer noch ein Unding – auch wenn sie nicht erklären kann, warum diese Regel überhaupt Bestand hat. "Das hat vielleicht etwas mit Respekt vor dem Ort zu tun", sagt sie, denn Theater sei so etwas wie ein heiliger Ort, der von jedem, der dort arbeite, absolutes Wachsein und ungeteilte Aufmerksamkeit erfordere. "Bequem und sicher darf man sich am Theater nie fühlen", sagt sie und erklärt damit auch, dass das (private) Hütetragen auf der Bühne auch zu den Neins im Theater gehört.
Während solche Regeln keineswegs mehr von jedem Theaterschaffenden beherzigt werden, gibt es andere, die unerschütterlich sind. Der Wunsch "toi, toi, toi" vor einer Premiere etwa, verbunden mit einem Spucken über die linke Schulter des Aufgemunterten, der dazu aber schon in Maske und Kostüm stecken muss. "Und der darf sich nie bedanken", sagt Engert, "höchstens mal ein ,wird schon' oder – wie ich es auch schon gehört habe – ein ,viele Versprecher, du Schlampe' erwidern." Der spezielle Glückswunsch erinnert an den Glauben, dass der Teufel (daher "toi") immer auf der linken Schulter sitzt: "Und der wird weggespuckt."

Die verhaltene Dankesfloskel wiederum hat damit zu, dass allzu große Gelassenheit schädlich ist, wenn man von der ersten bis zur letzten Minute "auf Messers Schneide" spielen müsse: "Da wird lieber was beschworen, was nie eintreten darf." Mit dem Teufel hat es auch zu tun, dass auf der Bühne keine Pfauenfedern verwendet werden. "Ihre Flecken heißen auch Devil's Eyes (Teufels Augen)", sagt die Schauspielerin. Dass im Theater das Pfeifen verpönt ist, kann sie indes aus der Geschichte mit zwei Gegebenheiten erklären. Erstens: Theater wurden früher mit Gaslaternen beleuchtet, und ein Pfeifton war die Warnung, dass Gas ausgetreten ist. Zweitens: Seemänner haben sich früher ein Zubrot als Hilfen an den Seilzügen im Bühnenturm verdient: "Sie verständigten sich mit Pfeifen, ein falscher Pfiff hat da viel auslösen können."
Mancher Aberglauben aber hält sich auch ohne konkrete Anlässe. Dass etwa der Name "Macbeth" nicht ausgesprochen wird, hängt wohl nur mit der Angst vor den drei darin vorhandenen Hexen und ihren Verfluchungen zusammen. So redet man nur von dem "schottischen Stück".
Aber es gibt auch nette Bräuche am Theater. Kleine Premierengeschenke zum Beispiel – wie jüngst nach "Spieltrieb" von Juli Zeh. "Da geben wir uns kleine Kärtchen mit guten Wünschen und einem Danke", sagt Engert lachend, "oder schenken uns auch Kleinigkeiten." Von Henning Strübbe, der den Alev spielt, habe sie, die die Mutter von Ada verkörpert, zum Beispiel ein kleines Spielzeugauto bekommen. Was aber auch Bezug zur gemeinsamen Arbeit hat, denn bei der Figur Alev spielt ein Auto eben eine Rolle.
Quelle: NGZ

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