Dienstag, 15. Mai 2012

Neuss TaS zeigt Geschichte aus drei Perspektiven

ngz-online.de Im wirklichen Leben heißt er Jérôme Kerviel – der Mann, der als Händler mit gewagten Transaktionen seiner Bank Millionenverluste einbrachte und damit nur zu deutlich zeigte, wie wackelig das internationale Finanzwesen aufgestellt ist. Was vor vier Jahren die Welt empörte, hat Kristof Magnusson ebenso humorvoll wie erhellend zu Papier gebracht – in Romanform unter dem beredten Titel "Das war ich nicht". Erfolgreiche Romane landen gerne auch auf der Bühne, und tatsächlich hat Ronny Jakubaschk eine Bühnenfassung geschrieben, die auch Regisseur Markus Andrae sofort überzeugt hat. Zum Glück, denn was er in seiner ersten Inszenierung in der neuen Funktion als künstlerischer Leiter des Theaters am Schlachthof (TaS) zeigt, beschert einen wirklich vergnüglichen Abend und gibt einen vielversprechenden Vorgeschmack auf die künftige künstlerische Ausrichtung der freien Bühne an der Blücherstraße. Schon mit seiner "Effi Briest" am TaS hat Andrae gezeigt, dass er ein Freund des puristischen Bildes ist. Er setzt auf Text und Schauspieler, stellt klar akzentuierte Figuren auf die Bühne. Das gelingt ihm auch bei "Das war ich nicht" mit drei Darstellern, die auch noch über weite Strecken nebeneinander agieren und reden müssen. Wie die Lebenswege der Übersetzerin Meike Urbanski, des Händlers Jasper Lüdermann und des Schriftstellers Henry LaMarck miteinander verwoben sind, entwirrt sich vor allem in den Monologen, für die Andrae seine Darsteller Anke Jansen (Meike), Jürgen Knittl (Jasper) und Johann Wild (Henry) auf kleine schwarze Podeste stellt, jedem also seine eigene Insel gibt. Da stehen sie nun, fast schon am Ende ihrer gemeinsamen Geschichte, und erzählen, wie sie angefangen hat. Jeder aus seiner Sicht und den Zuschauer ansprechend, so als ob er bei ihm auf der Couch säße. Wie Meike nach Chicago geflogen ist, weil sie auf das neue Manuskript des von ihr verehrten LaMarck wartet. Wie dieser unter Schreibhemmung leidet. Wie Jasper mit einer kleinen Verlegenheitsbuchung eine Finanzkatastrophe provoziert. Und wie sie sich irgendwann doch über den Weg laufen, zufrieden aneinander hängenbleiben – was jeder gerne mit "Ich war's, der die wichtigste Rolle dabei spielte" kommentiert. Das machen die Drei mit viel Gespür für den Text und ihre Figuren (Knittl dürfte nur etwas deutlicher sprechen), pendeln die Situationen aus, treffen den lakonisch-witzigen Ton der Vorlage und setzen das Aneinandervorbeigehen körperlich wie mental glaubwürdig um.

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