Dienstag, 3. August 2010

Neuss: Kulturelle Schnitzeljagd

Von Station zu Station zogen die Zuschauer, denen das Theater am Schlachthof ein ungewöhnliches Spektakel bot. An neun Orten im Barbaraviertel wurde Musik, Kabarett und Theater gespielt.
Sonja Hebestadt im rosafarbenen Petticoat sang Schlagerhits, begleitet von Christian Boy und Kristof Stößl. Foto: Jü Walter
Am Ende ließ Reinhard Mlotek einen überaus glücklichen Blick über die mehr als hundert Gäste gleiten, die sich auf dem Spielplatz hinter dem Theater am Schlachthof tummelten. "Es war ein Experiment", sagte der Leiter des kleinen Theaters – eines, das ohne Zweifel hervorragend gelungen ist.
Das Programmheft hatte die Veranstaltung als "Theaterwanderung" angekündigt, doch was sie genau erwartete, wussten die vielen Neugierigen nicht. So nahmen sie mit großen Augen die weiße Plastiktüte entgegen, aus der ihnen eine Coladose und diverse andere Kleinigkeiten entgegen blitzten, ließen sich brav in neun Gruppen einteilen und folgten ihrem jeweiligen "Guide".
Info
Barbaraviertel
Namensgeber Das Viertel wurde nach der katholischen Kirche St. Barbara benannt. Die evangelischen Einwohner gehören zur Reformationskirche.
Einwohnerzahl Das Viertel hat rund 4500 Einwohner.
Kindergärten Es gibt zwei – von der Caritas und dem Evangelischen Verein
Sportstätte Hubert-Schäfer-Sportpark, Nordpark
Schon nach wenigen Schritten, die zum Beispiel hinter das Theatergelände zu einem unscheinbaren Hügel führten, hatte sich kindlich-freudige Erwartung unter den Wanderern breitgemacht. Den Hügel durften sie im seichten Regen mit Grassamen bestreuen, während Karima Rösgen, Dennis Palmen und Magnus Merlin zwei humorvolle Lieder dazu sangen. Der Weg führte das gemischte Grüppchen weiter am Hügel vorbei in die Gneisenau-Straße und den sich dort befindenden Imbiss "Yasmin", wo Anke Jansen und Johann Wild eine Szene aus dem "Mona Lisa Protokoll" zeigten und sich auch nicht von Imbiss-Gästen mit starkem Harndrang beirren ließen.
Vorgeschmack auf Premiere
Das Ende naht: Antonius und Cleopatra erleben die letzten glücklichen Minuten, bevor sie die Schlacht von Actium verlieren. Foto: Marianne Menke
Die geheimnisvolle Coladose hatte im Eingang der Kirche St. Barbara ihren Auftritt – gut gelaunt schlürften die Wanderer die süße Limonade, während die Schauspielerin Sonja Hebestadt im rosafarbenen Petticoat Schlagerhits sang und von Christian Boy und Kristof Stößl mehr oder weniger zustimmend begleitet wurde. Sie gaben einen Vorgeschmack auf die Revue "Petticoat und Minirock", die im September Premiere hat, und lockten bereits mit diesem winzigen Freiluft-Auftritt so manchen Viertelbewohner hinaus auf den Balkon.
Mlotek selbst hatte die Idee zu dieser ungewöhnlichen kulturellen Schnitzeljagd, die den Besuchern auf einmalige Weise die Gegend um das Theater herum näher brachte. Jedoch ist es alles andere als einfach, so viele Menschen geordnet zwischen neun Stationen umherzuführen, die zum Teil in Privaträumen liegen. "Ohne Robert Christott, Stefan Krause, Gregor Weber und Miriam Winzen hätte das niemals funktioniert", sagte Mlotek. Dann hätten die Gäste keinen Blick ins Schlafzimmer einer Künstlerwohnung werfen können, und sie hätten auch nicht in der Kostümwerkstatt die mitgelieferten 50 Cent für das griechische Lira-Duo aus dem Viertel um eigene Münzen erweitern können. Damit wurde der Caritas eine kleine Freude bereitet.
Sie hätten dann auch das Mini-Konzert der Neusser Band "Rough Guys" auf den Eisenbahnschienen hinter dem Gelände und einen Faust-Dialog in der unheimlich unbeleuchteten Turnhalle verpasst, was schrecklich schade gewesen wäre. Auf den Spaziergängen zwischen den Stationen ertönten immer wieder begeisterte Kommentare, und das Strahlen auf den Besuchergesichtern konnte später angesichts duftender Würstchen und bunter Salate nur noch größer werden.

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