Eigentlich wollte Anne Blaszczyk, die am Bettina-von-Arnim-Gymnasium ihr Abitur baute, Lehrerin werden. "Als ich ein Praktikum bei einem Lehrer machen wollte, hieß es, das ginge nicht", erzählt sie. Also wählte sie für ihr Schüler-Praktikum eine Anwaltskanzlei aus – "und das war richtig gut. Mir wurde alles gezeigt, ich konnte mit jedem Anwalt zu Gericht, war bei Mandantengesprächen dabei. Dabei habe ich gesehen, wie viel man mit einem Jura-Studium machen kann." Die junge Frau schrieb sich an der noch jungen Juristischen Fakultät der Universität Düsseldorf ein. In ihrem Referendariat absolvierte sie Stationen bei einem Zivil- und einem Strafrichter, im Rechtsamt der Stadt Dormagen und am Amtsgericht in München. "Ursprünglich wollte ich Anwältin werden, aber als ich im Referendariat den ersten ,echten' Kontakt mit Richtern und deren Arbeit bekommen hatte, spürte ich, dass mir das gefällt und liegen könnte."
Mit zwei Prädikatsexamen in der Tasche landete Anne Blaszczyk beim Landgericht Bezirk Wuppertal und wenig später am Amtsgericht Wuppertal, wo sie mit Zivilsachen zu tun hatte. Über Wuppertal ging es zum Amtsgericht Solingen – dort war sie auch Betreuungsrichterin für Erwachsene – ehe sie im vergangenen Februar am Amtsgericht Mettmann anfing. Nunmehr als Beamtin auf Lebenszeit bekommt sie dort Strafsachen und Ordnungswidrigkeiten auf den Tisch. Und erlebt die gesamte Breite menschlicher Schwächen. So saß ein Mann vor ihr, der wegen unerlaubten Telefonierens während des Autofahrens angezeigt worden war. "Er erklärte mir in der Verhandlung, dass er kein Handy, sondern ein Snickers ans Ohr gehalten habe, um es zu wärmen. Ich habe ihn dann gefragt, ob er auch in sein Snickers gesungen hat? Da war er dann still." Mit der Zeit wächst, sagt sie, die "Lebenserfahrung für Plausibilitäten". Sie bekommt an ihren Sitzungstagen Lügengeschichten zu hören. Und unglaubliche Fälle. So wie den, in dem Mieter und Vermieter über die Betriebskostenabrechnung stritten – Streitwert 17,48 Euro – und beide einen Gutachter einforderten. Kosten: 1200 Euro. "Am furchtbarsten sind die Fälle, in denen es um fahrlässige Tötung geht, weil dort letztlich alle Beteiligten Opfer sind."
In ihrer Freizeit engagiert sich die werdende Mutter in der Ortsgruppe Dormagen des Naturschutzbundes NABU. Ob Kopfweiden beschneiden oder Steinkauz-Röhren aufstellen, dort draußen in der Natur sind die menschlichen Abgründe aus den Sitzungssälen auf einmal weit entfernt.
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