Dienstag, 18. März 2014

Neuss Inklusion: Nachfrage hat sich verdoppelt

Ab August haben behinderte Kinder einen Rechtsanspruch auf Plätze in "Regelschulen". Die Inklusion stößt in Neuss auf großes Interesse. Von Hanna Koch
 
In Neuss entstehen nach den Sommerferien nicht nur zwei neue Schulen, nämlich die Gesamtschule Norf und die Sekundarschule Weberstraße. Auch die Zusammensetzung der Schüler ändert sich – denn ab August gilt für behinderte Kinder der Rechtsanspruch auf einen Platz an der Regelschule, also auf die sogenannte Inklusion.
"Das Interesse ist um 100 Prozent gestiegen", sagt Schuldezernentin Christiane Zangs, die berichtet, dass nach den Ferien über 50 Schüler mit Förderbedarf die weiterführenden Schulen besuchen werden.
Deren Eltern mussten bereits Ende des vergangenen Jahres die "Wunsch-Schulen" für ihre Kinder angeben. Dabei sei vor allem eines deutlich geworden, sagt Zangs: "Das Gymnasium wird nicht favorisiert." Zwar hatte das Gymnasium Norf im Vorfeld Bereitschaft signalisiert, und die Stadt hatte auch noch das Nelly-Sachs- und das Marie-Curie-Gymnasium motivieren können, Kinder aufzunehmen. "Doch bei den Wünschen kam das Gymnasium gar nicht vor", sagt Zangs. Die Schulaufsicht, die in diesem Fall für die Koordinierung zuständig war, entschied dennoch, dass fünf Kinder das Gymnasium Norf besuchen werden. Die übrigen Kinder verteilen sich auf die Gesamt- und Sekundarschulen.
"Für die Eltern war es schwierig, sich schon so früh entscheiden zu müssen", sagt Stephanie Jungwirth. Sie hat selbst ein behindertes Kind, das im Herbst auf die Sekundarschule Weberstraße wechseln wird, und engagiert sich für die Initiative "Gemeinsam Leben und Lernen" (IGLL). Eigentlich hatte sie als Wunsch-Schule die Sekundarschule Gnadental angegeben. "Jetzt springen wir an der Weberstraße ins kalte Wasser", sagt Jungwirth, die den Umbau der Schullandschaft skeptisch sieht. "Gerade die Realschule Südstadt, die viel Erfahrung mit der Inklusion hat, zu schließen, verunsichert die Eltern", sagt die 45-Jährige. Genau wie ihre IGLL-Kollegin Dr. Monika Schmidt wünscht sie sich für Neuss ein klares Konzept für die Umsetzung der Inklusion. Zwar hatte die Stadt schon vor zwei Jahren die Arbeit an einem "Handlungskonzept Inklusion" begonnen, doch greifbare Ergebnisse blieben aus. "Die Landesregierung ist mit dem Rechtsanspruch so schnell vorgeprescht, dass uns die aktuellen Vorgaben praktisch überholt haben", sagt die Vorsitzende der Lenkungsgruppe, Stephanie Wellens (CDU). Ihr Eindruck vom Neusser Voranschreiten bei der Inklusion ist jedoch ein positiver: "Neuss ist auf einem guten Weg", meint Wellens, die Probleme nicht bei den Neusser Schulen, sondern eher im mangelhaften Personalschlüssel sieht – und der ist Ländersache. "Die Regelschulen brauchen genügend Sonderpädagogen, um die Vorgaben zum Rechtsanspruch auch erfüllen zu können", sagt Wellens, die auch Vorsitzende des Schulausschusses ist. Das unterschreiben auch die Eltern von Kindern mit Förderbedarf – sie fordern aber auch ein Umdenken an den Schulen. "Es gibt viele Vorurteile gegen den inklusiven Unterricht", sagt Dr. Monika Schmidt. Dabei könnten alle Kinder vom gemeinsamen Unterricht profitieren. "Die soziale Kompetenz wird dadurch stark gefördert", sagt Schmidt.
Quelle: NGZ

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