In Neuss ist er "der Christoph". In Berlin ist er "Dr. Heusgen". Der leitet seit 2005 die "Abteilung 2" im Bundeskanzleramt, die für außen- und sicherheitspolitische Fragen zuständig ist. Auch die Entwicklungspolitik gehört zu diesem Ressort. Der diskrete Heusgen ist der außenpolitische Berater mit der längsten Dienstzeit im Bundeskanzleramt. Er hat inzwischen selbst den legendären Kohl-Berater Horst Teltschik übertroffen.
Angela Merkel kuriert zurzeit ihre Beckenverletzung aus. Wenn die Chefin nicht voll belastbar ist, ist dann ein erfahrener Berater wie er besonders gefordert? Allein schon diese Frage scheint dem loyal-geräuschlosen Zuarbeiter unangenehm. Die Kanzlerin leiste ihr Arbeitspensum, wiegelt er ab, und verzichte lediglich aufs Reisen. Heusgen lässt sich nicht in die Rolle des Akteurs locken. Er bleibt, was er immer war: Berater. Er gibt keine Interviews. Allenfalls für Hintergrundgespräche steht er zur Verfügung. Als er einmal als "Neben-Außenminister" bezeichnet wurde, hat er sich geärgert. Diesen Eindruck will er in der Öffentlichkeit vermeiden.
Doch Heusgen ist mehr als ein Verwalter, er ist der Mann, der Angela Merkel die Welt erklärt. Das Handbuch der Bundesregierung schreibt folgerichtig auch vom "Außen- und Sicherheitspolitischen Berater der Bundeskanzlerin". Der Weg zu ihr führt für die Sicherheitsberater der Präsidenten und Regierungschefs aller Staaten und für deren Botschafter durch Heusgens Büro – und wenn er mit den Schützen in seiner Heimat feiert, kann dieser Weg durchaus über das Etappenziel Neuss führen.
Christoph Heusgen wurde vor 58 Jahren in eine Apotheker-Familie hinein geboren. Er wuchs in Neuss auf und bestand 1973 am Quirinus-Gymnasium sein Abitur. Sein Wirtschaftsstudium schloss er mit der Promotion an der Universität St. Gallen ab und wechselte ins Auswärtige Amt. Dort stieg er bis zum stellvertretenden Büroleiter von Außenminister Klaus Kinkel auf. Von 1999 bis 2005 war Christoph Heusgen in Brüssel Leiter des Politischen Stabes von Javier Solana, dem hohen Repräsentanten für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (EU). Es heißt, schon Gerhard Schröder hätte den deutschen Spitzendiplomaten gern ins Kanzleramt geholt. Und er hätte seinen Gedanken angesichts von Heusgens CDU-Parteibuchs dann aber doch verworfen.
Heusgen sagt, er liebe "die eigentliche Beratung". Operativ bleibt er im Hintergrund. Sein diplomatisches Instrument ist das Telefon. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert webt er sein weltweites Netz. Es gibt kaum einen Staat, den er nicht bereist hat und in dem er nicht einen einflussreichen Ansprechpartner kennt. Gleich welches Land die Bundeskanzlerin auch besucht, ihr Berater ist an ihrer Seite. Wenn eine Visite, wie jetzt nach Polen, aus gesundheitlichen Gründen von der Regierungschefin abgesagt wird, bleibt auch Heusgen in Berlin. Der Besuch werde selbstverständlich nachgeholt. Von Merkel – und von Heusgen.
Einer wie er könnte längst Botschafter auf einem bedeutenden Außenposten irgendwo zwischen Paris und Tokio sein. Doch der 58-Jährige bleibt im Kanzleramt. Die Arbeit bereite ihm immer noch Freude. Offenbar haben sich da zwei gesucht und gefunden, die beide unaufgeregt und pragmatisch die Probleme der Welt analysieren und Lösungen skizzieren.
Heusgen genießt das Vertrauen der Regierungschefin. Das wissen auch die Botschafter in Berlin. Beim Schützenfest im vergangenen August machte sich Chinas Shi Mingde mit dem Neusser Brauchtum vertraut – und traf am Rande des Festes Christoph Heusgen. Dessen grün-weiße Schützenuniform irritierte den Diplomaten keineswegs. Auch für Weltpolitik kann eine lokale Bühne nützlich sein.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen