Donnerstag, 3. April 2014

Neuss 0 Neusser Türken wollen mit eigener Partei in Rat

Das von Muslimen gegründete "Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit" will in Neuss Fuß fassen. zur Kommunalwahl tritt es an. Von Christoph Kleinau
 
Das "Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit" (BIG), eine der ersten von Muslimen in Deutschland gegründeten Parteien, will in Neuss Fuß fassen. Die Gründung eines eigenen Kreisverbandes ist gerade erfolgt, die Reserveliste für die Kommunalwahl in nicht einmal zwei Monaten steht. Denn BIG will in den Neusser Stadtrat. Und angeführt wird diese Liste vor allem türkischstämmiger Bewerber von Deniz Davarci, einem 40-jährigen Elektroingenieur aus Erfttal.
Schon vor fünf Jahren hatte Davarci für den Stadtrat kandidiert – als erster und bislang einziger Einzelbewerber in Neuss. Am Wahltag war er vom Ergebnis her "drittstärkste Kraft" in seinem Wohnort, aber für einen Einzug in den Stadtrat hätte er das Direktmandat holen müssen. Dieses Mal wollen es Davarci und seine politischen Freunde schlauer anstellen und in der ganzen Stadt Stimmen einsammeln. "Das ist zumindest das Ziel", sagt er.
In mehr als der Hälfte der Stadtteile hätten die BIG-Kandidaten schon die erforderlichen Unterstützer-Unterschriften schon zusammen, in den anderen laufe die Aktion noch. Angenommen werden Wahlvorschläge im Wahlamt der Stadt noch bis Montag, 7. April, 18 Uhr. Weil es bei der Kommunalwahl keine Sperrklausel wie die Fünf-Prozent-Hürde gibt, stehen die Aussichten für BIG, im nächsten Stadtrat vertreten zu sein, nicht schlecht. 2009 reichten der Partei "Die Unabhängigen" 562 Stimmen für ein Ratsmandat – und Davarci holte alleine in Erfttal über 100.
Politisch gänzlich unerfahren sind Davarci und einige seiner Mitstreiter nicht. Als Liste "Türk Birligi" errangen sie bei den Wahlen zum Integrationsrat im Februar 2010 mit 46,5 Prozent der Stimmen fünf Mandate, konnten aber auch als stärkste Fraktion Davarci nicht als Vorsitzenden dieses Gremiums durchsetzen. "Türk Birligi" blieb den Sitzungen deshalb über Monate fern. Diese Erfahrung ließ einen Plan reifen: "Wir können unsere Themen im Integrationsrat nicht kommunizieren, wir müssen in den Stadtrat", sagt Davarci. Dort will BIG nun für Chancengerechtigkeit, kommunales Wahlrecht für alle, doppelte Staatsbürgerschaft und eben auch die Integration von Muslimen kämpfen.

Die Chance, mehr Integrationspolitik zu machen, habe Davarci gehabt aber durch sein Verhalten im Integrationsrat vertan, kommentiert Michael Ziege, der stellvertretende Vorsitzende der SPD. Jörg Geerlings, Parteivorsitzender der CDU, vermutet wiederum, dass BIG vor allem Partikularinteressen vertreten wird. "Wir werben mit dem Modell der Volkspartei", hält er dagegen. In der hätte auch jeder Ausländer Platz. Die CDU bietet erstmals einen türkischstämmigen Direktkandidaten auf, die SPD schickt gar drei Bewerber mit Migrationshintergrund ins Rennen.
Mit Unruhe verfolgen vor allem die Kandidaten die neue Entwicklung, in deren Wahlkreisen viele Ausländer leben. Zum Beispiel in Derikum. Dort, so glaubt Waltraud Beyen (CDU), gehe es nun um wirklich jede Stimme.
Quelle: NGZ

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