Mit dem Aus für die im eigens 2012 erstellten Anbau untergebrachte Horst-Wackerbarth-Gruppe müssen die Raphaelshaus-Mitarbeiter erst umgehen lernen. "Wir sind sprachlos über diesen Vertrauensbruch eines Ex-Kollegen", sagte Daniel Mastalerz, stellvertretender Einrichtungsleiter, der den erkrankten Direktor Hans Scholten vertritt. Der genannte Ex-Kollege ist ein Pädagoge, der den Jugendlichen den Bordellbesuch ermöglicht haben soll.
Teilnehmer sind im Gefängnis
Die fünf aktuellen Teilnehmer der Horst-Wackerbarth-Gruppe wurden Ende Januar vorläufig in das Gefängnis Wuppertal-Ronsdorf gebracht. Das nutzte ein 16-Jähriger und floh vor der Verlegung beim Packen seiner Sachen aus dem Raphaelshaus. Bis Donnerstagabend war er nicht gefasst.
Ein Sozialpädagoge der katholischen Jugendhilfeeinrichtung, der inzwischen gekündigt hat, soll drei der Strafgefangenen (17 und 18 Jahre alt) zu Weihnachten 2013 einen Bordellbesuch ermöglicht haben. Außerdem habe der Pädagoge die Silvesternacht mit den Jugendlichen in Köln verbracht, von wo sie zu spät und stark alkoholisiert zurückgekehrt seien, erklärte das Justizministerium gestern. Das Geld für diese Fahrten sollen die Teilnehmer von den Eltern eines der Jugendlichen erhalten haben.
"Wir sind zutiefst schockiert über diesen Vertrauensbruch unserer ethischen und pädagogischen Grundsätze", sagte Daniel Mastalerz, stellvertretender Leiter des Raphaelshauses, der die Vorfälle eine "bedauerliche und nicht tolerierbare Erfahrung" nannte. Als andere Mitarbeiter des Modellprojektes die "inakzeptablen Dienst- und Aufsichtspflichtverletzungen" des Kollegen aufdeckten, wurden Aufsichtsbehörden und Projektpartner informiert. "Wir haben Strafanzeige gegen den Mitarbeiter gestellt", sagte Mastalerz. Mit seiner Kündigung ist der Sozialpädagoge seinem Rausschmiss zuvorgekommen.
Das Modellprojekt für die meistens wegen mehrmaligen Diebstahls, aber auch Gewalt verurteilten Jugendlichen war bereits kurz nach dem Start 2012 in die Kritik geraten, nachdem drei jugendliche Straftäter aus dem Anbau des Raphaelshauses geflüchtet waren. Sie wurden kurze Zeit später wieder ins Gefängnis gebracht. Damals wurde das Projekt von allen im Landtag vertretenen Fraktionen weitergeführt. Darauf wies Kutschaty hin. Weil dieses Vertrauen durch die neuen Verdachtsfälle grundlegend erschüttert sei, habe er sich nun zur Beendigung entschlossen.
Anderswo gute Erfahrungen gemacht
Der rechtspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Jens Kamieth, nennt die Vorwürfe "geradezu abenteuerlich". Der Minister müsse jedoch erklären, warum er gleich das ganze Projekt beendet habe. In anderen Bundesländern habe es sehr gute Erfahrungen gegeben. Die CDU halte am Ziel fest, mit dem Jugendstrafvollzug in freien Formen jungen Straftätern eine bessere Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen.
Sein FDP-Kollege Dirk Wedel kritisierte die "trotz vergangener Vorkommnisse unerklärlichen Kontrolldefizite". Die Leidtragenden seien alle Jugendlichen, die eine neue Chance bekommen sollten, und die sich redlich engagierenden Mitarbeiter.
Dagmar Hanses, rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, betonte: "Die Vorwürfe gegen den Mitarbeiter wiegen so schwer, dass es kein Weiter-So geben kann." Das Konzept des Strafvollzugs in freien Formen müsse im Landtag neu beraten werden.
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