"Wir wollen damit eine breite Forschung ermöglichen", sagt Jens Metzdorf, der Leiter des Stadtarchivs. Sein Credo: "Jeder soll bei uns fündig werden – sowohl der Professor als auch interessierte Schüler." Archivarin Sandra Gesell hat die Quellen gesichtet. Schon seit zwei Jahren ordnet und verzeichnet sie die historischen Akten der Stadt Neuss, die so genannte städtische Registratur. "Dabei berücksichtige ich die gesamte Preußenzeit von 1815 bis 1945", erläutert Gesell, die dafür 130 Regalmeter durcharbeitet.
Um für das "Jubiläumsjahr" des Ersten Weltkrieges – vor 100 Jahren brach der Krieg aus – gerüstet zu sein, zog die Archivarin diese Zeitspanne vor. "Ich habe nicht nur die Registratur gesichtet, sondern alle Quellen aus der damaligen Zeit geordnet", erläutert Gesell. Dazu gehören Fotos und Plakate aus dem Bildarchiv, Schulchroniken und Nachlässe. Dabei traten einige "Schätze" zutage, etwa das Tagebuch einer Neusser Jugendlichen, die damit im Jahr 1914 begann und Einblicke in das Alltagsleben zu Kriegszeiten gibt.
"Alle Quellen zusammen genommen verschaffen uns ein Bild darüber, wie das zivile Leben in Neuss durch den Weltkrieg beeinflusst wurde", erläutert Gesell, die von ihrer Arbeit auch in dem aktuellen Jahrbuch "Novaesium" berichtet. Die Quellen zeigen zum Beispiel, wie sich Lebensmittel und Rohstoffe verknappten, Lazarette für die Verwundeten entstanden und welchen Einfluss die Propaganda etwa auf die Schulen hatte.
Im weiteren Kriegsverlauf stieg die Zahl der Gefallenen. Viele Familien trauerten, was sich etwa im Anzeigenteil der Zeitungen widerspiegelt. Das Stadtarchiv schätzt die Zahl der Toten auf rund 1000 – Neuss hatte damals etwa 40 000 Einwohner. "Eine Besonderheit von Neuss ist seine strategisch gute Lage", sagt Metzdorf. Durch die Bahnverbindung wurde die Quirinusstadt genutzt, dort Truppen zusammen zu ziehen, um sie in Richtung Westen zu verlegen. Das Stadtarchiv setzt darauf, dass die einzelnen historischen Aspekte des Weltkriegs nun erforscht werden. "Mit unserer Aufarbeitung sind wir für Anfragen von interessierten Neussern gut gerüstet", sagt Metzdorf.
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