Montag, 24. März 2014

Neuss Spiel um ein Leben in neuen Bahnen

Am Rheinischen Landestheater hat Caro Thum Jean-Paul Sartres Geschichte "Das Spiel ist aus" inszeniert. Es erzählt von der Möglichkeit, das eigene Leben verändern zu können. Aber der Mensch bleibt meistens seinem Muster treu. Von Helga Bittner
 
Was wäre, wenn ... man die Liebe seines Lebens erst nach dem Tod trifft, aber eine zweite Chance auf der Erde bekommt? Würde man allen Umständen zum Trotz diese Liebe auch leben können? Eve und Pierre bekommen diese Chance. Sie stammen aus völlig unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Eve gehört von Geburt an zu den Reichen und durch Heirat zur politisch-herrschenden Klasse in einem faschistisch geprägten Staat, den Pierre wiederum als Revolutionär mit seiner "Liga für die Freiheit" bekämpft. Beide sind sie getötet worden – Pierre von einem Verräter und Eve von ihrem Mann – und treffen im Jenseits zum ersten Mal aufeinander. Dabei waren sie schon im Leben füreinander bestimmt, dürfen nun zurück und ihre Liebe beweisen.
So schön romantisch könnte die Geschichte enden – wenn sie nicht aus der Feder von Jean-Paul Sartre stammen würde, der sie 1943 als Drehbuch für einen Film geschrieben hat. Der Titel "Das Spiel ist aus" sagt schon, wo es hingeht. Eve und Pierre werden scheitern, aber erstaunlicherweise hat das nichts Trauriges. Das mag auch an den vielen Chansons liegen, die die Handlung mal unterbrechen, mal kommentieren, mal fortführen – oft mit süßer Melancholie. Und am Ende steht auch schon ein neues Paar da, dem die gleiche Chance geboten wird. Die Hoffnung also bleibt.
Auch Caro Thums Inszenierung des Stoffs am RLT, in einer Theaterfassung von Peter Hailer, Andreas Schäfer und Claudia Grönemeyer, haftet eine gewisse Leichtigkeit an. Dem für eine Bühne großen Problem der Gleichzeitigkeit vieler Szenen begegnet sie zusammen mit ihrer Ausstatterin Stella Kasparek mit der klugen Entscheidung, Rollgerüste für die Schauplätze zu schaffen. Irritierend und störend hingegen: der Einsatz von Mikroports für die Darsteller.
Aber sie spielen fabelhaft. Allen voran Rainer Scharenberg als Madame Barbezat, der die Verwaltung des Totenreichs obliegt. Sie sitzt an der Schaltstelle vom Diesseits zum Jenseits. Kennt die Lebenden und die Toten, ihre Schwächen, ihre Sehnsüchte. In weißer Rüschenbluse und rotem, Po-betonten Rock hat die Figur äußerlich was von einer Karikatur, leider macht die Regisseurin mit manch klamaukartigen Getue aus ihr nur zu gerne eine bloße Lachnummer. Wenn sie Scharenberg doch mehr ließe, wie er kann – nämlich so herrlich subtil spielen –, wäre die Wirkung ungleich stärker.

Mehr Gespür für das Humoreske der Figuren zeigt Thum bei den Toten. Diese sind bunt gekleidet, beobachten gerne die Lebenden, kommentieren lakonisch deren Welt und haben sich ganz und gar der ihren ergeben. Die Neuankömmlingen Eve und Pierre werden mit Nachsicht behandelt; es braucht halt, bis man das Menschhafte abstreift. Claudia Felix und André Felgenhauer verkörpern das Paar mit jeweils großer Individualität. Felgenhauers Pierre ringt förmlich mit sich, kann sich nicht zu Eve bekennen in dem Wissen, dass seine Kameraden dann sterben. Er muss versuchen, sie zu retten. Und Eve? Sie will verhindern, dass ihre Schwester Lucette auf ihren Mann hereinfällt wie einst sie selbst.
Aber in Claudia Felix' Figur steckt auch ein Zögern. Mehr als Pierre ist sie bereit, für das Leben zu zweit von weiteren Versuchen zur Rettung ihrer Schwester abzulassen. Denn es gibt ihn eben – diesen kleinen Augenblick im Leben, in dem der Mensch auch Herr seines Geschicks sein könnte. So tun beide, was sie glauben. tun zu müssen – und erreichen nichts. Weder für die, die sie retten wollen, noch für sich.
Quelle: NGZ

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