Freitag, 14. Februar 2014

Neuss Deppendorfs "Bericht aus Berlin" – live in Gnadental

Beim Gnadentaler Unternehmertisch diskutierte ARD-Journalist Ulrich Deppendorf über Politik und die Zukunft des Fernsehens. Von Frank Kirschstein
 
Für politisch Interessierte ist sein "Bericht aus Berlin" am frühen Sonntagabend, geschickt platziert zwischen Sportschau und Lindenstraße, Pflichtprogramm: Ulrich Deppendorf (64), Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, berichtet und ordnet ein, was Politiker und Parteien in der Woche bewegt hat. Beim Gnadentaler Unternehmertisch (GUT) stand Deppendorf jetzt schon am Mittwochabend auf dem Programm: Hausherrin Jutta Zülow begrüßte den Fernsehjournalisten vor 200 Gästen – so viele wie nie zuvor in inzwischen elf Jahren GUT.
Im Dialog mit TV-Moderator Bernd Müller ("Mein Trauzeuge und der Mann, der mich zum WDR geholt hat") plauderte Deppendorf aus dem bundespolitischen Nähkästchen. Zum Beispiel wie Winfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, nach der Bundestagswahl bei überraschend positiven Sondierungsgesprächen mit der CDU ein zum Greifen nahes schwarz-grünes Regierungsbündnis "verkackte" – ein Original-Ton aus der CDU-Spitze, so Deppendorf.
Steuersünder, so die Prognose des gebürtigen Esseners, werden sich Dank des Widerstandes von Finanzminister Schäuble gegen entsprechende Änderungen auch weiter mit Selbstanzeigen vor Gefängnisstrafen retten können. Die Europawahl, vor allem aber die Landtagswahl in Sachsen sieht Deppendorf als letzte Bewährungsprobe für die FDP. Die AFD dagegen sei als Sammelbecken nicht nur für Unzufriedene rechts der CDU, sondern auch aus FDP und selbst der SPD nicht zu unterschätzen. Die Sozialdemokraten freuten sich über Anfangserfolge in der Koalition, säßen etwa im Wirtschaftsministerium aber auch auf politischem Sprengstoff: "Wenn Sigmar Gabriel als Minister scheitert, wird es schwierig mit der Kanzlerkandidatur."

Die Anfangsharmonie in der großen Koalition sei, sagte Deppendorf, bereits dahin. Das zeige der Streit um die Energiepolitik. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), einer der nächsten Gäste auf Gut Gnadental, attestierte Deppendorf angesichts seiner jüngsten Äußerungen zur Sterbehilfe eine Meinungsfreudigkeit, die in der CDU nur noch selten anzutreffen sei: "Die Wertkonservativen sind kaum noch zu sehen und der Wirtschaftsflügel der Partei war auch schon besser aufgestellt." Mehr Meinung, mehr Diskussion, mehr Streitkultur zulassen, das forderte Deppendorf nicht nur mit Blick auf die Politik, sondern auch von der eigenen Zunft. Das Internet habe die Arbeit von Journalisten extrem beschleunigt und die Konkurrenz der Medien verschärft. Qualitätseinbußen seien die Folge. Beim geringsten Fehler eines Politikers stehe die Rücktrittsforderung schnell im Raum. "Da darf man sich nicht wundern, wenn den Job in der Politik niemand mehr machen möchte", sagte der Fernsehjournalist. Verglichen mit dem journalistischen Geschäft in Berlin heute sei Bonn vor dem Regierungsumzug fast schon ein Sanatorium gewesen. Dass sich das noch einmal grundlegend ändern wird, glaubt Deppendorf nicht: "Die Entwicklung kehrt niemand um – im Gegenteil."
Dennoch machte der Gast den Neussern, die nach der Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für politische Bildung und Kultur fragten, ein wenig Hoffnung: "In der ARD wird über die künftige Ausrichtung der Sender gerade intensiv diskutiert." Viele Stimmen forderten, so Deppendorf, die Orientierung an der Höhe der Einschaltquoten zu überdenken. Das könne funktionieren, allerdings nur, wenn Politik und Zuschauer dies auch honorierten. Bei Programmen mit weniger Akzeptanz dürfe dann aber nicht – wie einst von Edmund Stoiber – sofort die Existenzberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks infrage gestellt werden.
Quelle: NGZ

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