Beim Gnadentaler Unternehmertisch diskutierte ARD-Journalist Ulrich Deppendorf über Politik und die Zukunft des Fernsehens.
Von Frank Kirschstein
Für politisch Interessierte ist sein "Bericht aus
Berlin" am frühen Sonntagabend, geschickt platziert zwischen Sportschau
und Lindenstraße, Pflichtprogramm: Ulrich Deppendorf (64), Leiter des
ARD-Hauptstadtstudios, berichtet und ordnet ein, was Politiker und
Parteien in der Woche bewegt hat. Beim Gnadentaler Unternehmertisch
(GUT) stand Deppendorf jetzt schon am Mittwochabend auf dem Programm:
Hausherrin Jutta Zülow begrüßte den Fernsehjournalisten vor 200 Gästen –
so viele wie nie zuvor in inzwischen elf Jahren GUT.
Im Dialog mit TV-Moderator Bernd Müller ("Mein
Trauzeuge und der Mann, der mich zum WDR geholt hat") plauderte
Deppendorf aus dem bundespolitischen Nähkästchen. Zum Beispiel wie
Winfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident von Baden-Württemberg,
nach der Bundestagswahl bei überraschend positiven Sondierungsgesprächen
mit der CDU ein zum Greifen nahes schwarz-grünes Regierungsbündnis
"verkackte" – ein Original-Ton aus der CDU-Spitze, so Deppendorf.
Steuersünder, so die Prognose des gebürtigen Esseners,
werden sich Dank des Widerstandes von Finanzminister Schäuble gegen
entsprechende Änderungen auch weiter mit Selbstanzeigen vor
Gefängnisstrafen retten können. Die Europawahl, vor allem aber die
Landtagswahl in Sachsen sieht Deppendorf als letzte Bewährungsprobe für
die FDP. Die AFD dagegen sei als Sammelbecken nicht nur für Unzufriedene
rechts der CDU, sondern auch aus FDP und selbst der SPD nicht zu
unterschätzen. Die Sozialdemokraten freuten sich über Anfangserfolge in
der Koalition, säßen etwa im Wirtschaftsministerium aber auch auf
politischem Sprengstoff: "Wenn Sigmar Gabriel als Minister scheitert,
wird es schwierig mit der Kanzlerkandidatur."
Die Anfangsharmonie in der großen Koalition sei, sagte
Deppendorf, bereits dahin. Das zeige der Streit um die Energiepolitik.
Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), einer der nächsten Gäste auf
Gut Gnadental, attestierte Deppendorf angesichts seiner jüngsten
Äußerungen zur Sterbehilfe eine Meinungsfreudigkeit, die in der CDU nur
noch selten anzutreffen sei: "Die Wertkonservativen sind kaum noch zu
sehen und der Wirtschaftsflügel der Partei war auch schon besser
aufgestellt." Mehr Meinung, mehr Diskussion, mehr Streitkultur zulassen,
das forderte Deppendorf nicht nur mit Blick auf die Politik, sondern
auch von der eigenen Zunft. Das Internet habe die Arbeit von
Journalisten extrem beschleunigt und die Konkurrenz der Medien
verschärft. Qualitätseinbußen seien die Folge. Beim geringsten Fehler
eines Politikers stehe die Rücktrittsforderung schnell im Raum. "Da darf
man sich nicht wundern, wenn den Job in der Politik niemand mehr machen
möchte", sagte der Fernsehjournalist. Verglichen mit dem
journalistischen Geschäft in Berlin heute sei Bonn vor dem
Regierungsumzug fast schon ein Sanatorium gewesen. Dass sich das noch
einmal grundlegend ändern wird, glaubt Deppendorf nicht: "Die
Entwicklung kehrt niemand um – im Gegenteil."
Dennoch machte der Gast den Neussern, die nach der
Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für politische
Bildung und Kultur fragten, ein wenig Hoffnung: "In der ARD wird über
die künftige Ausrichtung der Sender gerade intensiv diskutiert." Viele
Stimmen forderten, so Deppendorf, die Orientierung an der Höhe der
Einschaltquoten zu überdenken. Das könne funktionieren, allerdings nur,
wenn Politik und Zuschauer dies auch honorierten. Bei Programmen mit
weniger Akzeptanz dürfe dann aber nicht – wie einst von Edmund Stoiber –
sofort die Existenzberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
infrage gestellt werden.
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