Halbmond und
Stern, der türkischen Flagge entliehen und in das CDU-Logo
eingearbeitet, schütteln die Neusser Christdemokraten kräftig durch.
Eine Partei erschrickt, dass sie Spiegelbild der Gesellschaft ist.
Von Ludger Baten
Seine Eltern sind Türken. Er ist Muslim. Yasar Calik
ist in Duisburg geboren, hat die Bundeswehr nach zwölf Jahren als
Hauptfeldwebel verlassen. Womöglich ist der Inhaber einer Fahrschule ein
Wandler zwischen den Welten. Jetzt hat der Deutschtürke als
Ratskandidat der CDU entschieden, ihm vertraute Elemente aus der
türkischen Flagge, Halbmond und Stern, im Wahlkampf optisch einzusetzen -
offenbar in der Überzeugung, so punkten zu können. Vielleicht wollte er
nur die Offenheit der Christlich-Demokratischen Union demonstrieren,
vielleicht hoffte er aber auch auf Stimmen aus muslimischen
Migrantenfamilien mit EU-Pass.
Ob er dabei bewusst oder unbewusst das CDU-Logo
verfremden ließ, ist fast schon nebensächlich. Viel spannender ist, was
Yasar Calik mit seiner Aktion ausgelöst hat - einen Aufschrei!
Bundesweit im Internet und an der eigenen Parteibasis. Dieser
leidenschaftlich zur Schau gestellte Gesprächsbedarf belegt nur eins:
Die CDU - und sie steht in diesem Fall vermutlich für weite Teile der
Neusser Gesellschaft - ist nicht fertig mit dem Thema Integration.
Präziser formuliert: Migranten und deren Kinder fordern -
nachvollziehbar - Teilhabe an der politischen Willensbildung und den
Entscheidungsprozessen.
Dafür gibt es zwei Modelle: Die etablierten (Volks-)
Parteien CDU, SPD, FDP oder auch die Grünen öffnen sich für Mitglieder
und Kandidaten mit "Migrationshintergrund", oder die Migranten sammeln
sich in eigenen Parteien. Beide Entwicklungen sind zur 2014er-Wahl in
Neuss zu beobachten. Noch nie standen so viele Namen von Neusser
Migranten in den Wahllisten der Altparteien, und erstmals stellt sich
mit dem Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG) eine von
Migranten geprägte Gruppierung der Kommunalwahl.
Die CDU und ihre altgedienten Mitbewerber werden sich
entscheiden müssen. Klar ist aber auch: Da besteht Gesprächsbedarf.
Diese notwendige, vielleicht sogar schmerzhafte Diskussion kommt - und
sie muss offen und ehrlich geführt werden. So gesehen kann die in vielen
Augen lästige Halbmond-Debatte für die CDU ein Gewinn sein: Sie kann
zeigen, dass sie mehr ist als ein reiner Verwaltungsapparat, der
Wahlkämpfe organisiert und Karrieren befördert. Sie wird darum streiten,
für welche Werte sie steht - gestern, heute, morgen - in Neuss, im
Rhein-Kreis, im Land und im Bund.
Gut so!
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