"Man konnte hinter diese Erfahrung nicht mehr zurück", übersetzt Jens Metzdorf den Begriff Epochenschwelle, der deshalb einem Veranstaltungsprogramm den Namen gibt, mit dem die Kultureinrichtungen der Stadt zu einer Spurensuche einladen. 100 Jahre nach Entfesselung des Ersten Weltkrieges soll ausgelotet werden, wie diese Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts Deutschland und die Deutschen bis heute prägt. Bewusst oder unbewusst. Partner bei diesem Vorhaben ist das NRW-Kultursekretariat, das die Neusser Angebote zum Teil eines landesweiten Erinnerns macht. 15 Städte beteiligen sich an diesem Projekt, das in Neuss am Dienstag, 8. April, mit einem Vortrag zum Thema "Die deutsch-französische Katastrophe" gestartet wird und mit Ausstellungen zum Teil bis ins nächste Jahr präsent sein wird.
Diese Spurensuche wird bis an die Gegenwart herangeführt, denn der Zweite Weltkrieg und die Teilung Europas haben im Ersten Weltkrieg ihre Ursache. Dargestellt wird dieser Zusammenhang in der Ausstellung "Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme", die Ende Mai im Romaneum gezeigt wird.
Auch in anderer Hinsicht bemühen sich die Programmgestalter um Verzahnung. So ergänzt sich die Ausstellung in der Stadtbücherei "Bunter Rock und böser Feind" über den Krieg im Kinder- und Jugendbuch im Mai gut mit dem Vortrag "Ran an den Feind" zur literarischen Erziehung der Jugend vor dem ersten Weltkrieg. Gast im Stadtarchiv ist dazu im November Jürgen Brautmeier von der Landesanstalt für Medien.
Brautmeier ist einer von mehreren Experten, die den 25 Angeboten des Projektes "Epochenschwelle 1914" auch überörtliche Bedeutung geben. Die Professoren Gerhard Hirschfeld und Herfried Münkler, die im Mai beziehungsweise Oktober in der Stadtbibliothek zu hören sind, oder Gerd Krumeich, der Ende Oktober im Stadtarchiv über "Neuss im Ersten Weltkrieg" spricht, zählt Metzdorf auch zu diesem Kreis.
Wie Neuss und die Neusser diesen Krieg erlebten, stellt ab Herbst die Ausstellung des Stadtarchivs "Gottvertrauen und Gehorsam" vor. Dort wird auch einer jener großformatigen Drucke gezeigt, mit denen der Kaiser einer Familie kondolierte, die ein Familienmitglied in diesem Krieg verloren hatte. Diesen Druck, zu Hunderttausenden verschickt, kennt Kulturdezernentin Christiane Zangs auch von ihrer Großmutter. 50 Jahre lang hingen zwei davon über deren Bett, hielten Trauer wie Erinnerung wach und bestätigen Zangs in ihrer These: "Der Erste Weltkrieg ist noch heute stark im Bewusstsein der Deutschen präsent." Und oft eben auch bis in die eigene Familie hinein.
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