Freitag, 28. März 2014

Neuss 0 Männer als soziale Fachkräfte gesucht

Beim "Boys' Day" können Jungen in klassische "Frauenberufe" hineinschnuppern. Der männliche Nachwuchs ist in Krankenhäusern, Altenheimen und Kitas sehr begehrt, denn die Arbeitgeber spüren bereits jetzt den Fachkräftemangel. Von Hanna Koch
 
Erste Gedanken hat sich Niklas Wyrobitsch über seinen späteren Beruf schon gemacht. Sein Onkel ist Dachdecker – ein klassischer Männerberuf. "Doch Krankenpflege könnte mir vielleicht auch gefallen", sagt der 15-jährige Realschüler, der gestern einer der Teilnehmer am "Boy's Day" im Johanna-Etienne-Krankenhaus war. Dort durften Niklas und die anderen Jungen selbst mit anpacken, sie übten das Spritzensetzen an einer Puppe und legten Verbände an.
"Wir brauchen den weiblichen und den männlichen Nachwuchs gleichermaßen", sagt Jörg Kurmann, Pflegedienstleiter am Etienne. "Denn den Fachkräftmangel spüren wir schon jetzt." So geht es in Neuss auch anderen Arbeitgebern im sozialen Bereich – viele nutzen den "Boy's Day", um auf ihre Ausbildungsberufe hinzuweisen.
"Eigentlich ist kein Beruf typisch männlich oder weiblich", meint Eva Szynaka, Leiterin des St. Theresienheims in Weckhoven. Es gehe vielmehr darum, welches Berufsbild ein Jugendlicher bevorzuge. "Nicht jeder möchte gerne täglich an Maschinen stehen", sagt Szynaka, die als Vorzug der Altenpflege die Arbeit mit Menschen nennt. "Das muss einem einfach liegen, egal ob Mann oder Frau", sagt sie. Der Boy's Day könne dazu beitragen, herauszufinden, ob die Interessen im sozialen Bereich liegen. Ähnlich sieht das Ilse Schwarz, Leiterin des Katholischen Kindergartens St. Michael. "Wir hatten heute einen Jungen dabei, der auf Anhieb gut mit den Kindern klarkam", erzählt Schwarz. "Er wurde richtig angehimmelt von unseren Kleinen", fügt sie schmunzelnd hinzu. Für den Teilnehmer sei das ein Erfolgserlebnis, für die Kinder eine schöne Erfahrung. "Denn bei uns werden sie sonst ja nur von Frauen betreut", sagt Schwarz, die sich wünscht, dass mehr Jungen den Beruf des Erziehers wählen. "Den Kindern fehlen sonst die männlichen Vorbilder", sagt die Kita-Leiterin.

Klassische Hemmschwelle für junge Männer, einen sozialen Beruf zu ergreifen, ist auch das Gehalt. "Für viele Männer ist es immer noch entscheidend, mit ihrem Verdienst eine Familie ernähren zu können", sagt Frank Wolters, Leiter der städtischen Wirtschaftsförderung. Er ist überzeugt, dass der Fachkräftemangel in diesem Berufszweig dazu führen wird, dass sich das Gehaltsgefüge verändert. Schon jetzt sei absehbar, dass es viel mehr Qualifizierungen gibt, so dass sich nach der Ausbildung auch Aufstiegsmöglichkeiten ergeben, die besser bezahlt werden. So bieten die Kreiskrankenhäuser – darunter auch das "Lukas" – den dualen Pflege-Studiengang "Nursing" an. Und auch die St. Augustinus-Kliniken, zu denen das Johanna-Etienne-Krankenhaus gehört, ermöglichen einen Bachelor im Fach Pflegewissenschaften.
Noch sind am "Etienne" 83 Prozent der Pflegekräfte weiblich. "Doch das wollen wir ändern", sagt Pflegedienstleiter Kurmann, der bei den Teilnehmern des "Boy's Day" auch darum wirbt, sich um Praktika zu bewerben. "Denn wer einmal reinschnuppert, der begeistert sich für den Beruf", sagt Kurmann, der dafür ein gutes Vorbild ist. Der 33-Jährige hat selbst einst eine Ausbildung zum Krankenpfleger gemacht und schloss danach ein Studium an. "Karriere machen geht eben auch in der Pflege", sagt Kurmann.
Quelle: NGZ

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