Verfassungsschutz-Präsident
Hans-Georg Maaßen warnt Unternehmen vor Internet-Angriffen:
Ausländische Geheimdienste und Konkurrenten seien auf der Jagd nach
Betriebsgeheimnissen wie Forschungs- oder Kundendaten.Von Frank Kirschstein
Deutscher Erfindergeist ist weltweit gefragt – und das
nicht nur bei zahlenden Kunden: Immer mehr ausländische
Nachrichtendienste und Konkurrenten investieren lieber in Spionage als
in legale Geschäftsbeziehungen. Bereits die Hälfte aller deutschen
Unternehmen soll von Wirtschaftsspionage betroffen sein. Hans-Georg
Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, verband den
Hinweis auf das Ergebnis aktueller Studien gestern bei der
Diskussionsveranstaltung "Klartext" in Neuss mit dem dringenden Rat, die
"Kronjuwelen" in Unternehmen sicher zu verwahren.
Vor allem chinesische und russische Nachrichtendienste
seien, so Maaßen, mit regelrechten "Einkaufslisten" unterwegs, um
weltweit einzusammeln, was der eigenen Wirtschaft nützen könnte. Immer
häufiger versuchten sich Angreifer über das Internet Zugang zu geheimen
Daten zu verschaffen. "Großkonzerne sind in der Regel bereits auf
Cyberangriffe vorbereitet. Kleinere und mittlere Unternehmen haben noch
Nachholbedarf", sagte der Chef des Verfassungsschutzes vor über 300
Wirtschaftsvertretern, die einer Einladung der IHK Mittlerer
Niederrhein, der Sparkasse Neuss und der Unternehmerschaft Niederrhein
gefolgt waren. Die Affäre um den US-Abhördienst NSA und dessen
ehemaligen Mitarbeiter Edward Snowden sei für viele Firmen ein Weckruf
gewesen. Dennoch dürfte sich Spionageabwehr nicht allein auf Datennetze
beschränken. "Menschliche Quellen spielen für Nachrichtendienste nach
wie vor eine große Rolle", sagte Maaßen.
Millionen von Internet–Benutzerdaten gestohlen: Was tun?
Auch Edward Snowden, der das Abhören von
Bundeskanzlerin Angela Merkel öffentlich machte, sei letztlich nur ein
"klassischer Innentäter". Behörden wie Unternehmen drohe besonders
großer Schaden, wenn eigene Mitarbeiter aus unterschiedlichsten Motiven
Geheimnisse verraten. Nachrichtendienste würden gezielt nach Informanten
suchen und mit Geld oder neuen Jobs locken. China sei auf diesem Gebiet
besonders aktiv.
Maaßen verweist auf das Beispiel eines deutschen
Spezialisten für Windenergie: Ein nach einer Versetzung unzufriedener
Mitarbeiter ließ sich bestechen und gab Software weiter. Wenig später
tauchten Kopien in China auf und das deutsche Unternehmen war seine
Kunden los – ein enormer wirtschaftlicher Schaden. Im Gespräch mit
Michael Bröcker, Chefredakteur unserer Zeitung, gab Maaßen den
Unternehmern Tipps, um Spionen das Leben schwer zu machen. Wer
vertrauliche Daten – etwa Forschungsergebnisse – schützen wolle, komme
um ein abgeschottetes, internes Datennetz ohne jede Verbindung zum
Internet nicht herum. Zudem müsse Personal sehr sorgfältig ausgewählt
werden. Und: "Auch ein Administrator muss nicht alles wissen und braucht
keinen Zugang zu allen Daten."
Der Verfassungsschutz-Chef fordert die Firmen zu enger
Zusammenarbeit auf. Nur wenn Angriffe durch Wirtschaftsspione gemeldet
würden, habe sein Amt die Chance, effektive Abwehrmaßnahmen zu
ergreifen. Anders als Polizei und Staatsanwaltschaft behandele das
Bundesamt für Verfassungsschutz solche Informationen auf Wunsch
vertraulich. Viele Unternehmen würden Spionageangriffe aus Sorge vor
ungewollter Publicity verheimlichen. Auch der Gebrauch von abhörsicheren
Handys oder Initiativen für ein deutsches Internet könnten gegen
Cyberspione helfen – vorausgesetzt, es siege nicht doch wieder die
Bequemlichkeit: "Wer Brisantes als E-Mail verschickt, schreibt es auf
eine Postkarte."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen