neuss.de In Neuss beginnt der Sommer bereits am Freitag, 17. Juni 2011. Dann öffnet zum 21. Shakespeare Festival das Globe-Theater am Rennbahn Park seine Pforten:
Fünfzehn verschiedene Programme mit Solisten und Ensembles aus England, der Schweiz, Schweden, Deutschland, Korea und Simbabwe werden zu sehen, hören und miterleben sein. Es gibt elf Deutschlandpremieren, eine NRW-Erstaufführung, musikalische Kostbarkeiten und zu allem einen unausweichlichen Schwerpunkt: Gleich viermal stellt der Dänenprinz Hamlet in diesem Jahr mit methodischem Wahnsinn die alles entscheidende Frage nach »Sein oder Nicht-Sein« – und er tut es sowohl in englischer und deutscher als auch in koreanischer Sprache.Der Reigen beginnt am 17. und 18. Juni mit einem Gastspiel des Théâtre Vidy-Lausanne, das uns seine Version der »Comédie des Erreurs« mitbringt – die völlig konfuse Geschichte um die zwei Zwillingspärchen, die im Kindesalter durch ein Schiffsunglück jeweils halbiert wurden und nun als Erwachsene in den unterschiedlichsten Konstellationen miteinander kollidieren, bis am Ende alle Puzzleteilchen ins richtige Bild fallen. Danach reist das Poetenpack aus Potsdam an, das sich in diesem Jahr mit einer veritablen, ganz auf das Rund des Globe zugeschnittenen Premiere zeigt: »Was ihr wollt«, ein Paradebeispiel für die unterschiedlichen Rauschzustände, in die sich das Menschenleben verlieren kann, wenn’s an der rechten Moral gebricht. Das Ensemble lädt am 19. Juni zur öffentlichen Generalprobe, der am 20. und 21. Juni die eigentlichen Vorstellungen mit Viola, Orsino, Olivia, Sebastiano und dem Verwalter Malvolio folgen. Tags drauf, 22. Juni, gibt Patrick Spottiswoode seine legendären Lectures. Mit »Viel Lärm um nichts« geht es dann am 23. und 24. Juni weiter: Das Rheinische Landestheater Neuss vertauscht seine gewohnten Bretter mit der Bühne des Globe, wo Hero und Claudio sowie Beatrice und Benedikt im geistreichen Wortgemetzel übereinander herfallen. Jene sähen sich lieber heute als morgen vor dem Traualtar, diese hingegen sind felsenfest davon überzeugt, dass eine Ehe der Anfang vom Ende und daher um jeden Preis zu vermeiden sei.
Die Globe Touring Company kommt gleich mit zwei Inszenierungen zu uns: Mit »As you like it«, einem der feinsinnigsten, »romantischsten« Lustspiele des Dichters, in dem rüde, rachsüchtige Machtgier sich zwischen große Liebe drängen will, nur um schließlich an der Klippe der Einfachheit zu scheitern. Eine pastorale Romanze, ein Verkleidungsspiel, Wortwitz und knorrige Landliebe mischen sich am 25. und 26. Juni »wie es Euch gefällt«. Im Anschluss zeigt die fahrende Truppe aus London in einer zweiten Begegnung Hamlet, ein Schauspiel in dem gewissermaßen der »ganze« Shakespeare sich festgeschrieben hat, nicht zuletzt durch eine Fülle sprachlicher Neuheiten, wie sie sich heute, wo das Wörterbuch regiert, niemand mehr leisten dürfte (27.-29. Juni).
Die Berliner Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« unternimmt am 1. und 2. Juli eine Zeitreise nach Troja: »Troilus und Cressida«, erstmals beim Neusser Shakespeare Festival überhaupt zu sehen, spielt im siebenten Jahr eines absurden Krieges, der am Ende – wie die meisten Waffengänge – keinen wirklichen Sieger kannte. Auch in dieser selten aufgeführten »Tragikomödie« gibt es schließlich nur ein großes Fragezeichen, wenn Troilus, der Bruder des Paris, und Cressida, die Tochter des zu den Griechen übergelaufenen Priesters Kalchas, feststellen müssen, dass ihre Liebe in dem giftigen Geflecht aus Intrigen, Eitelkeiten und Machtgier nie eine Chance hatte.
Am 3. Juli bringt der bekannte deutsche Schauspieler Sebastian Koch (»Das Leben der anderen«, »Die Manns«, »Der Seewolf« u.v.a.) in einer Nachmittags- und einer Abendvorstellung eine Lecture des Londoner Globe zur Aufführung: »Shakespeare – ein deutscher Dichter«, ist eine ausgewählte zweisprachige Lesung, in der das britische Original auf deutsche Dichterworte trifft und seinen langen, ungebrochenen Einfluss von Goethe bis zur Gegenwart demonstriert. Gemeinsam mit Sebastian Koch liest Philip Cumbus (London Globe), und Martin Swales, Emeritus des University College London, führt durch die Veranstaltung, in der auch berühmte Filmausschnitte gezeigt werden.
»Kupenga Kwa Hamlet« steht am 4. Juli auf dem Programm, den unter der Regie von Arne Pohlmeier die beiden virtuosen Schauspieler Denton Chikura und Tonderai Munyevu aus Simbabwe erarbeitet haben – just dieselben, die vor zwei Jahren als »Two Gentlemen of Verona« für begeisterten Applaus sorgten. Die Grundlage ihres Hamlet-Duetts bildet nun freilich nicht der hehre, hohe Originaltext, sondern eine jener »Erinnerungs-Raubkopien«, die zu Shakespeares Zeit gang und gäbe waren. Man spricht also englisch! Demgegenüber bringt der von Nora Somaini inszenierte »Hamlet« der bremer shakespeare company am 5. und 6. Juli eine ihrerseits höchst originelle Ansicht von Helsingör. Der Königshof ist ein hermetisch abgeriegelter Raum, in dem sich die Elite sicher wähnt, während sie sich in inneren Kämpfen verliert und vernichtet – wie jeder Or¬ganismus, der sich nur noch mit sich selbst beschäftigt. Nach solch geballter Dramatik kommen am 7. Juli der Bariton Stephan Loges und sein Klavierbegleiter Simon Lepper erneut ins Globe. Mit großer Resonanz hatten die beiden im vergangenen Jahr eine Auswahl von Shakespeare-Liedern vorgetragen, um sich, nunmehr mit der Sopranistin Elisabeth Watts, der Fülle der Bühnenwerke zu widmen, die nach den Schauspielen des Meisters entstanden sind – von Henry Purcells »Fairy Queen« über Giuseppe Verdis »Macbeth« bis zu Cole Porters »Kiss me Kate«.
Ein weiterer Höhepunkt des diesjährigen Shakespeare Festivals ist zweifellos am 9. und 10. Juli zu erwarten, wenn die koreanische Yohangza Theatre Company ihren »Hamlet (from the East)« vorstellt. Fünf Jahre sind vergangen, seit das fernöstliche Ensemble mit seinem »Sommernachtstraum« eine der beglückendsten Inszenierungen in der bisherigen Festival-Geschichte mitbrachte. Jetzt zeigt uns der Regisseur Jung Ung Yang einen »Hamlet«, der beide Kulturen auf einer geradezu metaphysischen Ebene miteinander verknüpft.
Dem west-östlichen »Hamlet« folgt am 11. Juli gewissermaßen etwas aus »Süd-Nord« – ein musikalischer »Macbeth« aus Schweden, der einen ganz ungewöhnlichen Weg einschlägt: Das Stockholmer Ensemble Romeo & Julia Kören, einer der besten schwedischen Chöre, kombiniert Bruchstücke aus dem originalen Drama mit geistlicher und weltlicher Vokalmusik, die schon zu Shakespeares Zeit historisch war. In prächtigen Kostümen agieren die Sänger und Sängerinnen zu Kompositionen von Josquin Desprez (1450 1521) und einigen seiner Zeitgenossen, die trotz vieler strenger Kompositionsvorschriften genügend Platz für dramatische Lautmalereien hatten.
Edward Hall und die phänomenale, rein männliche Propeller Company schließen den Bogen des diesjährigen 21. Shakespeare Festivals mit einem hinreißenden Kontrastprogramm. Zunächst werden wir Zeugen einer der boshaftesten Erscheinungen, die Shakespeare überhaupt auf die Bühne gebracht hat: Gloucester alias »Richard III.«, der innerlich und äußerlich verunstaltete Schurke, den sie alle erkennen und dessen Ränkespiel dennoch keiner entkommen kann – diese so raffinierte wie elende Kreatur wird abgelöst von der »Comedy of Errors«, mit deren französischem Gegenstück das Shakespeare Festival 2011 begann. Noch einmal zwei Zwillinge im Doppelpack, noch einmal köstlichste Missverständnisse in Hülle und Fülle, und schließlich ein dröhnendes Happy End. (13. bis 16. Juli).
Weitere Informationen unter www.shakespeare-festival.de oder am Info- und Kartentelefon mit der Rufnummer: 01805 065 065 (0,14 €/Min aus dem dt. Festnetz, Mobilfunknetze max. 0,42 €/Min). Der Kartenvorverkauf startet am 1. April.
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