In Neuss fanden unter dem Motto „einblicke – jüdisches[er]leben“ 14 Veranstaltungen im Rahmen der Jüdischen Kulturtage 2011 in NRW statt.
Beginnend mit der Ausstellung „Menschen – Steine – Migrationen. Gegenwart und Vergangenheit jüdischen Lebens im Rheinland und in Westfalen“ am 14. Februar konnten bis zum 13. April 539 Zuschauer aktuelle jüdische Kultur kennenlernen: Drei Lesungen in der Bibliothek führten in unterschiedliche Zeiten jüdischen Erlebens. Der Roman „Andernorts“ des Wiener Autoren Doron Rabinovici führt ins heutige Israel und die Welt jüdischen Humors. In Ursula Krechels „Schanghai fern von wo“ geht es um jüdische Exilanten, die während des Zweiten Weltkrieges in Asien stranden. Susann Pásztors „Ein fabelhafter Lügner“ ist eine bunte Familiengeschichte durch die Jahrhunderte. Ein Vortrag von Dr. Günter Ginzel in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule und der Stadtbibliothek rekapitulierte die Geschichte des Neubeginns des jüdischen Lebens in Deutschland nach 1945 und zog höchst interessante Parallelen zum zeitgenössischen Umgang mit Minderheiten, in diesem Fall mit islamischen Glau-bensangehörigen. Wein als Kulturgut spielte die Hauptrolle bei der Degustation mit israelischen Weinen in der Stadtbibliothek. Die Teilnehmer erhielten zusätzlich zahlreiche Informationen zu Israel als Produktionsstandort und zu Sitten und Gebräuchen im jüdischen Alltag.
Die Filmreihe unter dem Motto „Jüdisches Leben heute – hier und anderswo“ mit vier sehr unterschiedlichen Spielfilmen aus Deutschland, den Vereinigten Staaten und Israel stieß auf un-erwartet hohe Resonanz. Gerade der israelische Film „Du sollst nicht lieben“, in dem es um eine homosexuelle Liebe im orthodoxen Judentum geht – in diesem Zusammenhang eigentlich etwas Unmögliches – sorgte für Diskussionsbedarf.
Rundum gelungen war die Veranstaltung des Jugendbuchau-tors Manfred Theisen im Nelly-Sachs-Gymnasium. Vor zwei bestens vorbereiteten Klassen (Stufen 7 und 8) trug er Passagen aus seinem Jugendroman „Checkpoint Jerusalem“ vor. Mehr noch: außer einer Einführung in den Nahost-Konflikt und die Unterschiede zwischen jüdischen/muslimischen Sitten erhielten die Schüler einen Einblick in Dramaturgie, Journalismus und sogar die biologischen Grundlagen des menschlichen Flirtverhaltens. Im Gegensatz zu den geplanten Exkursionen nach Köln und Essen, für die es leider nicht genügend Anmeldungen gab, standen für die Führung auf den Spuren jüdischen Lebens in Neuss mit dem Leiter des Stadtarchivs, Dr. Jens Metzdorf, sogar noch Interessenten auf der Warteliste.
Bei einem Rundgang vom Hafengebiet über den alten Synagogenstandort bis zu einzelnen Wohnhäusern ermordeter jüdischer Mitbürger erfuhren die Teilnehmer viel über die konkrete Geschichte und einzelne Schicksale in Neuss. Die meisten Zuschauer zog die klassische Musikdarbietung mit dem Morgenstern-Trio auf der Museumsinsel Hombroich an. Auf dem Programm standen Stücke von Boris Gurevich, Leonard Bernstein und Felix Mendelssohn Bartholdy. Das begeisterte Publikum forderte zwei Zugaben.
Ein weiterer Erfolg war das gut besuchte Jazzkonzert mit dem kanadischen „Whiskey-Rabbi“ Geoff Berner im Kulturforum Alte Post. Nach 1998, 2002 und 2007 beteiligte sich die Stadt Neuss zum vierten Mal an dem Projekt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen