BZMG: Herr Dederichs, Sie sind von den Belastungen, die die Wanloer Bürger zum Widerstand gegen die Methangas-Anlage veranlassen ebenfalls betroffen. Erstens unmittelbar, also persönlich und zweitens mittelbar als Jüchener Kommunalpolitiker. Worin sehen Sie die Nachteile für sich und Hochneukirch?
Thomas Dederichs: Es ist schwer zu differenzieren zwischen persönlichen Nachteilen und Nachteilen für den Ort Jüchen / Hochneukirch. Ich bin Hochneukirchener und fühle und lebe in und mit dem Ort.
Ein Ort mit diesen Vorbelastungen stellt kein attraktives Wohnumfeld mehr dar.
Freiwerdende Mietwohnungen werden nicht mehr einfach zu vermieten sein. Werteinbußen für Immobilienbesitzer sind als sicher zu betrachten.
Hochneukirch ist mein Geburtsort und der Lebensmittelpunkt meiner Familie mit 2 Kindern. Die Lebensqualität hat gegenüber früher gelitten, wobei wir als Anwohner so gut wie nie Einflussmöglichkeiten hatten.
Alleine die Stadt Mönchengladbach hat in unserer unmittelbaren Nachbarschaft in den vergangenen Jahren einen Windpark, sowie die Kompostieranlage errichtet.
Der Grubenrand des Braunkohletagebaues passiert uns in wenigen 100 Metern Entfernung, die Sümpfungsmaßnahmen geschehen direkt vor unserer Haustüre. Das Gewerbegebiet Regiopark rückt bis auf wenige 100 Meter an den Ortsrand.
Ich wohne am Ortsrand und ein landwirtschaftlicher Betriebsweg führt in 50 Meter Entfernung direkt an meinem Haus vorbei.
Im Verkehrsgutachten finde ich diesen Wirtschaftsweg nun als Hauptstrecke als nördliche Beschickung der Anlage, um den Ortskern zu umfahren.
Dieser Betriebsweg wurde errichtet um die anliegenden Ackerflächen zu bestellen und nicht um den Transport zu einem Industrieunternehmen sicherzustellen.
Ich kann mir nicht vorstellen wie ein 3 Meter breiter Wirtschaftsweg Gespanne mit 40 Tonnen, 18 Meter länge und 40 km Geschwindigkeit aufnehmen kann. Ob ich meine Kinder noch sicher spielen lassen kann, wage ich zu bezweifeln.
BZMG: Bei der SPD-Informationsveranstaltung sprachen Sie der Stadt Mönchengladbach Komplimente aus. Welche Gründe hatten Sie dafür?
Dederichs: Ich begleite den Prozess der Ansiedlung der Biogasanlage seit fast 3 Jahren. Der Betreiber drängte schon zu Beginn auf eine zügige Umsetzung der Änderung des Flächennutzungsplanes. Die Stadt Mönchengladbach hat eine Anhörungskommission vorgeschaltet, die nach meinem Wissensstand nur in wenigen Städten Deutschlands zu finden ist.
Aufgrund der Vielzahl der Einwendungen war die 1. Anhörung nicht zufriedenstellend verlaufen. Viele Bürger haben nicht die Möglichkeit gefunden ihre Bedenken vorzutragen.
Die Politik hat sich jedoch nicht unter Druck setzen lassen und das Verfahren im Januar weiter fortgesetzt.
Auch der SPD habe ich ein Kompliment gemacht.
Sie hat uns die Möglichkeit gegeben unsere Bedenken direkt und persönlich vorzutragen.
Die SPD-Entscheidung fällt in der Mitgliederversammlung am Montag. Egal wie die Entscheidung ausgehen wird, muss man festhalten, dass die SPD sich intensiv mit der Problematik auseinandergesetzt hat.
Die Einladung zu den Mönchengladbacher Grünen für den 27. Januar 2011 konnte ich leider nicht wahrnehmen, da ich längere Zeit geschäftlich unterwegs war. Natürlich stehen wir in regelmäßigem Kontakt.
BZMG: In den Unterlagen der NVV und auch in der Mönchengladbacher Politik wird dargestellt, die Gemeinde Jüchen habe sich gegen eine Methangas-Anlage im Gewerbegebiet Güdderath ausgesprochen, was sowohl seit der vorliegenden und veröffentlichten Korrespondenz als auch durch den Beschluss des Jüchener Gemeinderates nicht mehr haltbar ist. Wie ist Ihre Position dazu?
Dederichs: Eine Ansiedlung im Gewerbegebiet Regiopark war nie Thema in einer Ratssitzung mit einer entsprechenden Beschlussfassung.
Das Gewerbegebiet Regiopark ist ein gemeinsames Gewerbegebiet der Gemeinde Jüchen und der Stadt Mönchengladbach.
Ein Standort innerhalb des Regioparks wäre in Bezug auf mir bekannte Standortabwägungen besser, als der jetzt gewählte Standort zwischen Wanlo und Hochneukirch gewesen.
Die Belastung durch eine Biogasanlage oder z. B. eine Spedition im Regiopark hätte für die Anwohner in Hochneukirch keinen Unterschied gemacht.
Es macht mich wütend, dass es jetzt eine summarische Belastung aus Gewerbegebiet und zusätzlicher Biogasanlage werden soll.
Und das unter dem Strich nur deshalb weil das Grundstück innerhalb des Regioparks teuerer geworden wäre.
So stellt die Stadt Mönchengladbach monetäre Interessen eines privaten Wirtschaftsunternehmens über die Interessen mehrerer tausend Haushalte in Wanlo und Hochneukirch, die nichts anders wollen als ihr Lebensumfeld weiter lebenswert zu erhalten.
BZMG: Hat sich die Mönchengladbacher Verwaltung nach der Jüchener Stellungnahme mit der Gemeinde in Verbindung gesetzt. Gab es Ihrer Kenntnis nach eine schriftliche Antwort oder sonstige Kontakte?
Dederichs: Mir ist keine Antwort bekannt. Ob Abstimmungsgespräche stattgefunden haben können nur der Bürgermeister oder die Verwaltung der Gemeinde Jüchen beantworten.
Ich gehe aber nicht davon aus, da seit der jetzigen Wahlperiode vom Bürgermeister eine sehr offene und in keiner Weise zurückhaltende Informationspolitik auch an die Oppositionen betrieben wird.
BZMG: In einem Ihrer gestrigen Statements sprachen Sie die 192. Änderung des Flächennutzungsplanes der Stadt Mönchengladbach an und dass dieses Gelände nicht in die Prüfungen durch NVV und Stadt Mönchengladbach einbezogen worden sei. Wo sehen Sie darin ein ausschlaggebendes Versäumnis?
Dederichs: Die deutliche Erweiterung des Regioparkes und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Umfeld hätten in Bezug auf die Biogasanlage berücksichtigt werden müssen.
Ich gehe persönlich davon aus, dass die nach Offenlegungsbeschluss stattgefunde Änderung zu einer erneuten Offenlegung, also „Reset“ des Verfahrens hätte führen müssen.
BZMG: Wie werten Sie es, warum die NVV gerade das aktuell vorgesehene Grundstück für den Standort der Methangas-Anlage ausgewählt hat?
Dederichs: Es ist der Standort in der Nähe einer Gasleitung, der den Betrieb eines virtuellen Blockheizkraftwerkes ermöglicht.
Es ist ein (sehr) günstiges städtisches Grundstück im Außenbereich. Eine kreisförmige Beschickung mit Erntegut ist nicht möglich da der komplette südliche Bereich durch den Tagebau abgeschnitten ist.
Im Osten und Westen liegen die Ortschaften Wanlo und Hochneukirch im Norden die Stadt Mönchengladbach. Im Erdkunde Leistungskurs vor fast 30 Jahren hätte diese Standortauswahl zu einem mangelhaft bis ungenügend geführt.
Bei einem betriebswirtschaftlichem Studium vielleicht zu einem Ausreichend. Der Standort ist ungeeignet und nur aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten eines privaten Unternehmens gewählt worden.
BZMG: Wie transparent und nachvollziehbar ist für Sie und die Gemeinde das „Grundstücksauswahlverfahren“ der NVV?
Dederichs: Ich denke, dass ich das mit der vorherigen Aussage beantwortet habe.
Es ist offensichtlich, dass ein städtisches Grundstück in der Nähe einer Gaspipeline gesucht worden ist.
BZMG: In der Gemeinderatssitzung in Jüchen hatten Sie geäußert, dass für die Jüchener Grünen die NVV im übertragenen Sinne als „persona non grata“ einzustufen sei. Wie war und ist das zu verstehen?
Dederichs: Für mich ist ein Unternehmen welches sich in dieser Art und Weise über die Belange der betroffenen Bürger hinwegsetzt eine „Persona non grata“, wenn es zu Verhandlungen über zukünftige Konzessionsverträge kommt.
Für mich persönlich ist das Unternehmen ebenfalls kein Partner für zukünftige Strom- und Gasversorgung.
Ich bin mir sicher, dass diese Vorgehensweise unter dem Strich für die NVV einen negativen Saldo haben wird, da meine Meinung von fast allen Hochneukircher und Wanloern geteilt wird.
BZMG: Welche weiteren Schritte sind von Ihnen und aus der Gemeinde Jüchen in Kürze zu erwarten?
Dederichs: Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Gemeinde Jüchen wird die Aufnahme eines Tagesordnungspunktes für die Sonderratssitzung am 28.02.2011 beantragen:
Klage gegen die Änderung des Flächennutzungsplanes und des Bebauungsplanes für den Fall, dass beides in der Ratssitzung der Stadt Mönchengladbach am 23.02.2011 eine Mehrheit gefunden hat.
Wir werden zwei Gründe hierfür geltend machen:
- Ausrechende Flächen sind in einem Gewerbegebiet in unmittelbarer Nachbarschaft vorhanden, so dass eine Ausweisung von Sonderflächen im Außenbereich nicht notwendig ist.
- Die Ausweitung des Gewerbegebietes Regiopark und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Planverfahren wurden nicht, oder nicht ausreichend abgewägt.
BZMG: Vielen Dank, Herr Dederichs, für die klaren Worte.
Das Gespräch führte Bernhard Wilms
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